Der traditionsreiche Autozulieferer Schaeffler kündigt drastische Maßnahmen an: In Deutschland werden rund 2800 Arbeitsplätze gestrichen, europaweit sind es insgesamt 3700.
Nur wenige Wochen nach der Übernahme von Vitesco, einem Spezialisten für Elektroantriebe, sieht sich der Konzern gezwungen, im Zuge der flauen Marktentwicklung seine Strukturen anzupassen. Vorstandschef Klaus Rosenfeld verteidigt die Entscheidung – doch das Signal an die Belegschaft könnte kaum verheerender sein.
Der Hintergrund der Maßnahme ist vielschichtig. Schaeffler steckt in einer schwierigen Transformation. Der Markt für Elektroautos entwickelt sich langsamer als erhofft, während die Nachfrage nach herkömmlichen Verbrennerkomponenten gleichzeitig zurückgeht. Zusätzlich machen hohe Kosten und Qualitätsansprüche die Transformation für Autozulieferer wie Schaeffler zur Herausforderung, die bereits erste Branchenriesen ins Wanken gebracht hat.
Scharfe Reaktionen aus der Belegschaft
Das Streichkonzert trifft die Standorte hart, besonders in Herzogenaurach und Regensburg, den Sitzen von Schaeffler und Vitesco. Die Gewerkschaft IG Metall kündigt Widerstand an und kritisiert das Vorgehen scharf.
„Dieser Schritt ist ein fatales Signal an die gerade erst neu übernommenen Beschäftigten,“ äußerte sich IG Metall-Vertreter Thomas Höhn, der sich kämpferisch gibt.
Vor wenigen Wochen noch hatte der Konzern die Fusion mit Vitesco als Schritt in eine erfolgreiche, gemeinsame Zukunft gefeiert – ein Versprechen, das für viele betroffene Mitarbeiter nun wie Hohn klingt.
Keine Ausnahme: Krisenmodus in der gesamten Branche
Schaeffler steht mit seinen Problemen nicht allein. Die deutsche Autoindustrie wird auf eine harte Probe gestellt. Der Stellenabbau bei Zulieferern und Herstellern zieht sich wie ein roter Faden durch die Branche. Während Volkswagen aufgrund schwacher Absätze über Werksschließungen nachdenkt, kündigte Bosch massive Stellenkürzungen an, und ZF plant den Abbau von bis zu 14.000 Stellen.
Hauptgrund der Misere ist die Transformation zur Elektromobilität. Jahrelang waren Zulieferer abhängig vom Verbrennungsgeschäft, doch die Umstellung auf Elektroantriebe bringt immense finanzielle Herausforderungen.
„Die Autohersteller fordern von uns immer mehr Flexibilität,“ erklärt ein Insider aus der Branche.
Doch die Investitionen in die E-Mobilität laufen oft ins Leere – sowohl im Hinblick auf die Margen als auch auf die Abnahme durch die Kunden.
Verlagerung und Auslandswachstum: Der Weg nach Nordamerika
Neben der Ankündigung von Stellenstreichungen setzt Schaeffler auf internationale Expansion, vor allem in den USA. Dort sieht Rosenfeld die Zukunft, auch unabhängig von politischen Unsicherheiten. Ein neues Werk in Ohio, das Hybridantriebstechnologien produzieren soll, soll den Zugang zum nordamerikanischen Markt stärken und langfristig Wachstumsimpulse setzen.
Doch auch in Europa bleibt der Umbau bei Schaeffler umfassend. Neben dem Stellenabbau plant der Konzern, die Aktivitäten von Melior Motion, einem Unternehmen in Hameln, das 2022 übernommen wurde, einzustellen.
„Die Überkapazitäten belasten uns enorm,“ so Rosenfeld.
Die Entscheidung spiegelt die Einsicht wider, dass Schaeffler nicht alle Standorte halten kann, die in den vergangenen Jahren durch Zukäufe ins Portfolio gekommen sind.
Der schwierige Spagat zwischen E-Mobilität und Verbrennern
Trotz des Wandels betont Rosenfeld, dass Schaeffler nicht vollständig aus dem Verbrennergeschäft aussteigt.
„Der Verbrenner ist unsere Cashcow und wird noch länger relevant bleiben,“ erklärt der CEO und verweist auf Hybridmodelle.
Die Herausforderung bleibt, den Umsatzrückgang im Verbrennergeschäft durch Elektromobilität zu kompensieren – eine Balance, die auch andere große Zulieferer wie Bosch und Continental vergeblich suchen.
Die Zahlen des dritten Quartals sind ein deutlicher Indikator: Die Einnahmen von Schaeffler gingen währungsbereinigt um 1,1 Prozent auf knapp vier Milliarden Euro zurück, und der Betriebsgewinn sank um fast 45 Prozent auf 187 Millionen Euro. Das Geschäft mit Autoersatzteilen, das aufgrund der zunehmenden Alterung der Fahrzeuge auf Europas Straßen wächst, bleibt ein Lichtblick – doch es kann die Schwächen in anderen Bereichen nicht kompensieren.
Zukunft der deutschen Zulieferindustrie ungewiss
Mit dem Kauf von Vitesco hat Schaeffler einen riskanten, aber notwendigen Schritt in Richtung Elektromobilität getan. Doch die Herausforderungen bleiben immens, und der langsame Hochlauf des Marktes für E-Autos macht die Zukunft ungewiss.
In der Branche wächst der Druck, ganze Geschäftsbereiche und Standorte abzubauen, um international wettbewerbsfähig zu bleiben. Die Verlagerung ins Ausland wird dabei oft zum einzigen Ausweg – eine Entwicklung, die die deutsche Industrie langfristig verändern könnte.
Die nächsten Jahre werden entscheidend sein. Die Schaeffler-Übernahme von Vitesco könnte das Ruder in Richtung Elektromobilität herumreißen – oder aber den Konzern in eine neue, kostenintensive Abwärtsspirale führen. Für die Mitarbeiter, deren Stellen abgebaut werden, ist das ein bitteres Signal: Die Elektrozukunft wird, zumindest in Deutschland, zur Herausforderung.