Die Stimmung kippt: Unternehmer klagen öffentlich
Lange schien Russlands Wirtschaft den Herausforderungen des Ukraine-Kriegs erstaunlich gut standzuhalten. Doch jetzt zeigen sich immer mehr Risse: Unternehmer klagen zunehmend offen über Zahlungsausfälle, drohende Insolvenzen und die belastende Zinspolitik.
Ein prominenter Kritiker ist Dmitrij Alexejew, Gründer der Handelskette DNS. In einem Interview sprach er von „Depression“ und einer fehlenden Zukunftsperspektive für Unternehmen.
Seitdem die Zentralbank den Leitzins Ende Oktober auf 21 % anhob – das höchste Niveau seit 2003 –, spitzt sich die Lage zu. Unternehmer wie Alexej Mordaschow, Chef des Stahlkonzerns Severstal, sehen das Land am Rande einer wirtschaftlichen Eskalation: „Die Medizin könnte gefährlicher werden als die Krankheit.“
Die Zahlen, die Unternehmer lähmen
Die Zinspolitik der russischen Zentralbank trifft die Wirtschaft empfindlich. Kredite werden unbezahlbar, während die Inflation offiziell bei knapp 10 %, inoffiziell aber bei bis zu 20 % liegt. Besonders der Lebensmittelsektor leidet: Butter verteuerte sich seit Jahresbeginn um 24 %, Kartoffeln sogar um 55 %. Gleichzeitig sind rund 200 Einkaufszentren landesweit akut von der Pleite bedroht, da sie ihre Kredite nicht mehr bedienen können.
Unternehmen berichten, dass rund 36,6 % aller Zahlungsausfälle mittlerweile die größte Herausforderung darstellen – ein Anstieg von über 50 % im Vergleich zum Vorjahr. Auch große Industriezweige wie die Stahlproduktion melden zweistellige Umsatzrückgänge.
Kritik an der Zentralbank: Lösungen oder Bankrott?
Im Fokus der Kritik steht Zentralbankchefin Elvira Nabiullina. Ihre Zinspolitik sei nicht nur konservativ, sondern gefährlich, meinen Experten. Laut dem Russland-Experten Vasily Astrov liegen die Zinsen „weit über der Rentabilität der meisten Branchen“. Unternehmen können kaum noch investieren, was die Wirtschaft weiter ausbremst.
Doch Nabiullina bleibt hart. Unternehmen, die ihre Schulden nicht mehr bedienen können, sollten laut der Zentralbank „effizienter werden, neue Geschäftsmodelle suchen oder vom Markt verschwinden“.
Insolvenz sei in einigen Fällen sogar ein „Segen“. Diese Aussagen stoßen auf wachsenden Widerstand, da viele Unternehmen schlicht keine Alternativen sehen.
Die Sündenböcke und der politische Kontext
Da direkte Kritik an der Regierung und dem Ukraine-Krieg tabu bleibt, rückt die Zentralbank als Blitzableiter in den Fokus. Doch Beobachter sehen die wahren Ursachen in den wirtschaftlichen Auswirkungen des Krieges: explodierende Staatsausgaben, Sanktionen und eine zunehmende Isolation von internationalen Märkten belasten die russische Wirtschaft.
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Ein ungewisses Fazit
Die wirtschaftliche Lage in Russland ist angespannt wie nie. Unternehmer, die einst als Rückgrat der russischen Wirtschaft galten, stehen unter Druck wie selten zuvor.
Der Leitzins, der eigentlich die Inflation bekämpfen soll, droht, die Wirtschaft in eine Abwärtsspirale zu ziehen. Während die Zentralbank auf Effizienz pocht, wächst der Druck auf Unternehmen – und damit die Wahrscheinlichkeit von Insolvenzen.