Russland sieht sich gezwungen, Gas aus Wladimir Putins Vorzeigeprojekt in der Arktis zu lagern. Grund dafür sind westliche Sanktionen, die potenzielle Käufer abschrecken. Die Sanktionen gegen Arctic LNG 2 zeigen bereits Wirkung und beeinträchtigen die Absatzmöglichkeiten erheblich.
Laut Schiffstracking-Daten und Satellitenbildern haben seit dem Start der Ladeoperationen drei Schiffe verflüssigtes Erdgas von dem durch US-Sanktionen betroffenen Arctic LNG 2 exportiert. Eines dieser Schiffe, die Everest Energy, hat ihre Ladung offensichtlich auf eine schwimmende Lagereinheit im Murmansker Gebiet entladen und ist danach in Richtung Arctic LNG 2 zurückgekehrt.
Analysten der Daten- und Analyseplattform Kpler betonten, dass der Umschlag die Herausforderungen verdeutlicht, mit denen Russland beim Verkauf seines sanktionierten LNG konfrontiert ist. Auch die anderen beiden Transporte sind bisher in russischen oder europäischen Gewässern geblieben und haben noch keinen Käufer gefunden.
Arctic LNG 2 sollte ursprünglich eine Schlüsselrolle in der russischen LNG-Produktion spielen und bis 2030 ein Fünftel der angestrebten jährlichen Produktion von 100 Millionen Tonnen ausmachen. Inzwischen zeigt sich jedoch, dass die westlichen Sanktionen erhebliche Auswirkungen haben.
Nach der vollständigen Invasion der Ukraine durch Russland im letzten Jahr, setzte die US-Regierung Arctic LNG 2 auf ihre Sanktionsliste. Russland reagierte auf die Maßnahmen mit einer angeblich „dunklen Flotte“ von LNG-Trägern, deren Lebenszyklus jedoch von weiteren Sanktionen des US-Finanzministeriums im August stark beeinträchtigt wurde.
Die ersten Transportschiffe, wie die Pioneer und Asya Energy, haben ihre Ladungen bisher nicht ausgeliefert, sondern verbleiben in russischen Gewässern oder benachbarten Regionen. Dabei nutzen sie „Spoofing“-Techniken, um ihre wahren Positionen zu verschleiern.
Die Bedenken über solche Praktiken haben auch die Europäische Union dazu veranlasst, im Juni „irreguläre und risikobehaftete Schifffahrtspraxen“ zu ihren Sanktionsgründen hinzuzufügen. Die genannten Schiffe haben infolge der jüngsten US-Sanktionen ihre Registrierung verloren.
Kjell Eikland, Geschäftsführer der Energieberatung Eikland Energy, betonte, dass jegliche Kaufinteressen nun definitiv erloschen seien. Dennoch tragen LNG-Exporte weiterhin, wenn auch in geringerem Umfang als Pipelinelieferungen, zu Russlands Kriegskosten bei.
Obwohl Novatek in den drei Monaten bis Juni einen Umsatzanstieg von 15 Prozent verbuchte, ist es durch das Fehlen detaillierter Berichte schwer zu erkennen, welchen Beitrag Arctic LNG 2 dazu geleistet hat.
Spezialisten für LNG und Sanktionen sind sich einig, dass europäische Länder oder westliche Verbündete kaum Importe vom Arctic-Projekt erwarten lassen. Dennoch könnten die Sanktionen nicht vollständig verhindern, dass das LNG in Länder außerhalb dieser Gruppe gelangt, insbesondere nach Indien und China, die sich gegen US-Extraterritorialmaßnahmen aussprechen.
Die beiden Länder sind bereits bedeutende Abnehmer russischen Öls geworden. Ein Bericht einer großen russischen Bank deutet jedoch darauf hin, dass Moskau auch bei LNG-Exporten nach Asien wahrscheinlich auf ähnliche Probleme stoßen wird wie bei Rohöl: Käufer werden Rabatte verlangen.
Novatek steht vor einer erheblichen Herausforderung, doch Analysten, wie Sergey Vakulenko von der Carnegie Endowment for International Peace, sind sich sicher, dass das Unternehmen möglicherweise Wege finden wird, diese Barrieren zu überwinden.