20. April, 2025

Wirtschaft

Rubel-Schock: Wenn Stärke zur Schwäche wird

Die russische Währung legt 38 % gegenüber dem Dollar zu – doch der Kursaufschwung entpuppt sich als tickende Zeitbombe für die Kreml-Finanzen. Warum Investoren jetzt genau hinschauen sollten.

Rubel-Schock: Wenn Stärke zur Schwäche wird
Nach zwei Jahren mit 4,1 % Wachstum rechnet die russische Zentralbank für 2025 nur noch mit 1–2 %. Hauptgrund: Investitionsstau durch teures Geld.

Rubelrekord mit Nebenwirkungen

Russland führt Krieg, steht unter Sanktionen, kämpft mit fallenden Rohstoffpreisen – und trotzdem hat der Rubel seit Jahresbeginn fast 40 Prozent zugelegt. Keine andere Währung der Welt konnte gegenüber dem US-Dollar so stark aufwerten.

Selbst Gold hat da das Nachsehen. Doch was auf dem Devisenchart wie ein Erfolg aussieht, entpuppt sich bei näherem Hinsehen als ökonomisches Risiko – und für den russischen Staat sogar als Problem.

Denn: Ein starker Rubel bedeutet zwar Prestige, er dämpft aber auch die Rubel-Einnahmen aus Exporten – insbesondere beim Öl, der tragenden Säule der russischen Staatsfinanzen.

Der Zeitpunkt könnte ungünstiger kaum sein: Seit US-Präsident Trump Anfang April neue Zölle auf internationale Rohstoffe angekündigt hat, ist der Ölpreis massiv unter Druck geraten. Die Nordseesorte Brent notiert aktuell elf Prozent unter Vorkrisenniveau – die russische Ölsorte Urals sogar noch deutlich niedriger.

Kapitalverkehrskontrollen als Kursstütze

Warum ist der Rubel so stark? Ein Grund liegt im System selbst. Russland hat seit Beginn des Ukrainekriegs die Kapitalströme weitgehend abgeriegelt. Ausländische Investoren können kaum Kapital abziehen, russische Unternehmen sind verpflichtet, ihre Deviseneinnahmen zu einem festgelegten Anteil in Rubel zu tauschen.

Das schafft eine künstliche Nachfrage – und verhindert Kapitalflucht. Gleichzeitig zieht der hohe Leitzins – derzeit 21 Prozent – spekulatives Kapital an. Rubelanlagen versprechen traumhafte Renditen, auf dem Papier.

Doch diese Rendite hat einen Preis: Unternehmen, die investieren oder Kredite aufnehmen wollen, werden durch die hohen Zinsen ausgebremst. Besonders der Mittelstand gerät unter Druck.

Schon jetzt steigen die Unternehmenspleiten spürbar – eine Entwicklung, die das Wachstum langfristig dämpfen wird. Die russische Zentralbank erwartet für 2025 nur noch ein BIP-Plus von 1–2 %, nach 4,1 % im Vorjahr.

Die Rekordzinsen treiben Unternehmen in die Pleite. Kredite werden unerschwinglich, insbesondere für den Mittelstand außerhalb der Rüstungsindustrie.

Teure Währung – billiges Öl – wackliges Budget

Für den russischen Staat ist die Kombination aus starkem Rubel und niedrigem Ölpreis brandgefährlich. Der Haushalt ist auf Basis eines Ölpreises von 70 Dollar pro Barrel Urals kalkuliert – aktuell liegt der Preis deutlich darunter.

Gleichzeitig wurde der Budgetkurs mit 96,5 Rubel je Dollar angenommen. Tatsächlich steht der Kurs derzeit bei rund 82 Rubel – was die Einnahmenseite schrumpfen lässt.

Laut Berechnungen des WIIW (Wiener Institut für internationale Wirtschaftsvergleiche) droht Russland deshalb 2025 ein Haushaltsloch von bis zu vier Prozent des BIP – ein klares Warnsignal für eine Volkswirtschaft, die sich im Krieg befindet und immense Rüstungsausgaben schultern muss.

Moskau will einen schwächeren Rubel

Intern mehren sich die Stimmen, die eine gezielte Abwertung fordern. Der Energieanalyst Michail Krutichin nennt einen Zielkurs von 110 Rubel je Dollar – ein Niveau, das zumindest einen Teil der Haushaltsschieflage abfedern könnte.

Doch ein solcher Schritt birgt Risiken: Er könnte Inflation und Kapitalverlagerungen auslösen, die sich kaum kontrollieren lassen.

Auch westliche Analysten rechnen langfristig mit einem schwächeren Rubel. Goldman Sachs etwa erwartet bis 2028 einen Kurs von 130 Rubel je Dollar – ein Wertverlust von über 50 Prozent gegenüber dem aktuellen Stand.

Ausgerechnet in einer Phase, in der der Dollar selbst als Währung unter Druck steht. Das zeigt: Der Rubel ist nicht stark, weil Russlands Wirtschaft gesund ist – sondern weil Moskau ihn künstlich aufpumpt.

Eine Währung als Systemrisiko

Der Rubel steht exemplarisch für eine Entwicklung, die auch über Russland hinaus zu denken gibt: die politische Steuerung von Wechselkursen als kurzfristiges Krisenmanagement – mit langfristig zerstörerischen Nebenwirkungen. Denn je länger das System Rubel künstlich stabilisiert wird, desto größer wird der Rückschlag, wenn die Spannungen sich entladen.

Für Investoren ist die Lage widersprüchlich. Einerseits winken hohe Renditen auf Rubel-Anlagen. Andererseits mehren sich die Anzeichen, dass die russische Wirtschaft ihre Grenzen erreicht. Die Kombination aus fallendem Ölpreis, steigender Inflation, wachsenden Staatsausgaben und einem überbewerteten Rubel erzeugt ein Spannungsfeld, das jederzeit kippen kann.

Fazit ohne Propaganda

Der Rubel ist 2025 die stärkste Währung der Welt – aber kein Erfolgsmodell. Er ist das Ergebnis von Kapitalmarktabschottung, Zwangsmaßnahmen und einer gefährlich hohen Leitzins-Politik.

Die Stärke nach außen täuscht über die Schwäche im Inneren hinweg. Und wie jede künstlich stabilisierte Währung steht auch der Rubel vor einer Frage, die sich nicht ewig vertagen lässt: Was passiert, wenn die Kontrolle verloren geht?