Ein Quantenmoment für die Börse
Quantencomputing gilt seit Jahren als nächste große Revolution in der Technologiebranche. Als Alphabet kürzlich seinen neuen Spezialchip „Willow“ vorstellte, der einen bedeutenden Fortschritt in Richtung „Quantenüberlegenheit“ markieren soll, reagierte nicht nur die Alphabet-Aktie mit einem Plus von sieben Prozent.
Der eigentliche Börsengewinner war Rigetti Computing, dessen Aktie um 45 Prozent an Wert zulegte und die Aufmerksamkeit von Anlegern weltweit auf sich zog.
Rigetti entwickelt und implementiert integrierte Quantencomputersysteme, die Unternehmen dabei helfen sollen, ihre Rechenleistung durch Quantenprozessoren zu optimieren. Doch hinter dem schillernden Kursanstieg lauern ebenso große Herausforderungen wie Chancen.
Technologie im Spannungsfeld
Die Faszination um Quantencomputer ist ungebrochen: Sie versprechen, mathematische Probleme in der Kryptographie, Materialwissenschaft und Künstlichen Intelligenz in bislang unerreichbarer Geschwindigkeit zu lösen. Insbesondere das maschinelle Lernen, ein Kernelement von KI-Anwendungen, sorgt für immense Wachstumsfantasien.
Doch der Weg zur Massentauglichkeit ist steinig. Rigetti und andere Anbieter kämpfen mit grundlegenden technologischen Einschränkungen: Die bisherigen Systeme sind nicht nur zu klein, sondern machen mit wachsender Qubit-Zahl zunehmend Fehler.
Diese sogenannte „Dekohärenz“ ist eines der zentralen Hindernisse, die bislang verhindert haben, dass Quantencomputer in der Praxis flächendeckend Mehrwert schaffen.
Der „Willow“-Effekt: Neue Hoffnung durch Alphabets Chip
Alphabets neuer Spezialchip, der in einem Quantencomputer namens „Willow“ eingesetzt wird, soll diese Herausforderungen entschärfen. Das Unternehmen bezeichnet den Chip als technologischen Durchbruch und sieht die „Quantenüberlegenheit“ – also den Punkt, an dem Quantencomputer klassische Rechner übertreffen – in greifbarer Nähe.
Für Rigetti Computing könnte das ein Segen sein. Als einer der führenden Anbieter von Quantencomputersystemen wäre das Unternehmen in der Lage, von der wachsenden Akzeptanz der Technologie zu profitieren. Der Kursanstieg der Aktie um mehr als 800 Prozent in drei Monaten zeigt, wie groß die Erwartungen bereits sind.
Wirtschaftliche Risiken und spekulative Kursentwicklung
Doch Anleger sollten Vorsicht walten lassen. Trotz aller Fantasien bleibt Rigetti ein Unternehmen, das bislang vor allem durch Kapitalverbrennung auffällt. Der Hype könnte kurzfristig neue Investitionen erleichtern, langfristig aber auch zu einer Überbewertung führen. Experten warnen, dass das aktuelle Kursniveau vor allem von Spekulationen getrieben sei.
Zudem ist der Wettbewerb im Quantencomputing hart. Neben Rigetti tummeln sich auch andere Pioniere wie IBM, Google, IonQ und D-Wave in diesem Markt. Alphabet selbst könnte durch seinen Fortschritt bei „Willow“ einen Großteil des künftigen Marktes für sich beanspruchen – eine Bedrohung, die die langfristigen Aussichten von Rigetti eintrüben könnte.
Quantencomputing: Noch weit von der Realität entfernt?
Der Weg zu einer breiten Kommerzialisierung von Quantencomputern ist nach wie vor lang. Während sich technologische Fortschritte wie Alphabets Chip „Willow“ abzeichnen, bleiben grundlegende Probleme wie die hohe Fehlerquote und die Kosten für die Herstellung und den Betrieb bestehen.
Anleger sollten bei Quantencomputer-Aktien wie Rigetti Computing vor allem eines im Blick behalten: Die Fantasien über die Zukunftstechnologie stehen einem noch sehr experimentellen Markt gegenüber. Wer auf Rigetti setzt, sollte sich bewusst sein, dass er derzeit eher auf Hoffnungen als auf harten Fakten investiert.