Das Berliner Fintech Ride galt einst als ein Paradebeispiel für Erfolg im deutschen Finanzstartup-Ökosystem. Unterstützt von prominenten Investoren wie Mario Götze und Startup-Verbandspräsidentin Verena Pausder, verwaltete das Unternehmen zuletzt Kundengelder in Höhe von 700 Millionen Euro.
Heute steht der Name Ride jedoch sinnbildlich für die Schattenseiten der Startup-Welt: eine gescheiterte Übernahme, ausstehende Gehälter und ein Neustart unter denkbar schwierigen Bedingungen.
Wir berichteten bereits:
Rückkauf für einen „Bruchteil“ des Werts
Nach einem monatelangen Machtkampf und der Insolvenz kehrt Ride überraschend in die Hände seiner ursprünglichen Gründer zurück.
Christine Kiefer und Felix Schulte haben die wichtigsten Vermögenswerte ihrer Firma zurückgekauft – zu einem Bruchteil der 630.000 Euro, die Investor Raoul Heraeus erst kürzlich gezahlt hatte.
Über die genaue Summe schweigen die Gründer. Doch der symbolische Wert des Rückkaufs ist unbestritten: Der Neustart unter Eigenregie ist ein klares Signal an Mitarbeiter und Partner, dass Ride trotz aller Widrigkeiten noch eine Zukunft hat.
Ein schleichender Absturz
Der Weg dorthin war steinig. Im September 2024 schockierte Ride die Branche mit einem Insolvenzantrag. Das Geschäftsmodell, Kunden bei der Gründung von vermögensverwaltenden GmbHs zu unterstützen und Steuervorteile bei Aktiengeschäften zu sichern, galt als innovativ und lukrativ. Doch riskante Nebengeschäfte mit Immobilien trieben das Unternehmen in finanzielle Schieflage.
Raoul Heraeus, Investor und langjähriges Boardmitglied, sah dennoch Potenzial und übernahm Ride. Der Plan: Millioneninvestitionen und die Wiederbelebung des Kerngeschäfts.
Doch die Realität war ernüchternd. Wochenlange Unsicherheit kostete das Startup wichtige Partner – darunter Steuerkanzleien, die essenziell für das Geschäftsmodell waren. Die Folge: Umsätze brachen weg, die Novembergehälter der rund 20 Mitarbeiter blieben aus.
Mitarbeiter kämpfen um ihre Existenz
Während Kiefer und Schulte den Neustart vorbereiten, bleibt die Situation für die Belegschaft angespannt. Fehlende Gehälter führten zu „erheblichen finanziellen Belastungen“, wie interne Informationen belegen.
Mieten können nicht gezahlt werden, Krankenversicherungen geraten in Gefahr. Zwar versichert Heraeus, die offenen Gehälter aus den Verkaufserlösen zu begleichen, doch das Vertrauen ist angeschlagen.
Einige Mitarbeiter setzen dennoch auf den Neustart. Sie hoffen, dass Kiefer und Schulte mit frischem Elan und einem klaren Fokus auf das Kerngeschäft die Wende schaffen können.
„Das Modell von Ride ist stark – es braucht nur die richtige Führung“, heißt es aus Unternehmenskreisen.
Ein zweiter Anlauf unter Druck
Der Rückkauf der Firma markiert für Kiefer und Schulte sowohl einen Sieg als auch eine Bürde. Zwar haben sie Ride zurück, doch die Altlasten des gescheiterten Verkaufs bleiben bestehen: Das Vertrauen von Partnern und Kunden muss mühsam wiederhergestellt werden. Hinzu kommt der Druck, Mitarbeiter zu halten und das Geschäft schnell wieder auf Kurs zu bringen.
Ob Ride tatsächlich noch einmal zu alter Stärke zurückfindet, bleibt offen. Doch eines steht fest: Der Neustart der Gründer wird von der gesamten Fintech-Szene beobachtet – als Lehrstück darüber, wie fragil der Aufstieg eines Hoffnungsträgers sein kann.