In Frankreich hat die erste Runde der entscheidenden Parlamentsneuwahl begonnen, und bis zum Mittag des Wahltags zeichnete sich bereits ein deutlich höheres Interesse ab als bei der letzten Wahl. Das Innenministerium meldete eine Wahlbeteiligung von 25,9 Prozent, was einem Anstieg von 7,47 Prozentpunkten gegenüber der vorangegangenen Parlamentswahl vor zwei Jahren entspricht. Rund 49,3 Millionen Wahlberechtigte entscheiden derzeit darüber, ob das Mitte-Lager von Staatschef Emmanuel Macron weiterhin die Mehrheit in der Nationalversammlung behalten wird oder ob ein Machtwechsel bevorsteht. Sollte es zum Machtwechsel kommen, müsste Premierminister Gabriel Attal seinen Posten räumen. Das rechtsnationale Rassemblement National (RN) von Marine Le Pen hofft auf eine Mehrheit und strebt den Posten des Premierministers an. Auch das neue Linksbündnis Nouveau Front Populaire tritt mit Ambitionen auf einen Regierungswechsel an. Das Präsidentenamt selbst steht bei dieser Wahl allerdings nicht zur Disposition. Hochkarätige Politiker wie Macron, Le Pen, Attal und der RN-Vorsitzende Jordan Bardella haben bereits am Vormittag ihre Stimme abgegeben. Die Wahllokale schließen abends um 20:00 Uhr und erste Hochrechnungen werden kurz darauf erwartet. Nach der herben Niederlage bei der Europawahl und dem deutlichen Sieg des RN hatte Macron die Nationalversammlung aufgelöst und die Neuwahlen in zwei Durchgängen angesetzt. Die entscheidende zweite Runde findet am 7. Juli statt. Umfragen zufolge könnte RN mit 36 bis 36,5 Prozent der Stimmen in der ersten Runde die Führung übernehmen. Das Mitte-Lager von Macron wird hingegen auf einem abgeschlagenen dritten Platz mit 20 bis 20,5 Prozent gesehen. Das Bündnis Nouveau Front Populaire könnte mit circa 29 Prozent das zweite stärkste politische Bündnis werden. Die endgültige Zusammensetzung des Parlaments bleibt jedoch ungewiss. Während bei der letzten Wahl lediglich fünf Sitze in der ersten Runde vergeben wurden, könnte aufgrund der höheren Wahlbeteiligung und der Fokussierung auf die drei politischen Lager diesmal eine deutlich höhere Anzahl von 80 bis 90 Sitzen frühzeitig entschieden werden. Prognosen zufolge könnten die Rechtsnationalen stärkste Kraft werden, doch eine absolute Mehrheit ist unsicher. Lokale Allianzen, die zwischen beiden Wahlrunden geschlossen werden, könnten den Wahlausgang maßgeblich beeinflussen und insbesondere Macrons Mitte-Lager Sitze kosten. Ein Sieg des RN hätte gravierende internationale Konsequenzen, da die Nationalversammlung an der Gesetzgebung beteiligt ist und die Regierung per Misstrauensvotum stürzen kann. Falls ein anderer Block als Macrons Mitte-Lager die absolute Mehrheit erzielt, müsste Macron einen Premier aus deren Reihen ernennen, was zu einer sogenannten Kohabitation führen würde. Dies würde Macrons Macht erheblich einschränken und den Premierminister in den Mittelpunkt rücken. RN-Parteichef Jordan Bardella soll im Falle eines Sieges das Amt des Premierministers übernehmen. Internationale Beobachter in Brüssel und Berlin verfolgen die Wahl daher mit großer Spannung.