Argentiniens Staatspräsident Javier Milei hat bei seinem Auftritt auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos für Aufsehen gesorgt – allerdings weniger durch substanzielle Reformvorschläge oder eine wirtschaftspolitische Vision, sondern durch eine scharfe Abrechnung mit westlichen Gesellschaften und Institutionen.
In seiner halbstündigen Rede sparte er nicht mit provokanten Thesen und markigen Angriffen, die eher den Eindruck einer politischen Kampfrede hinterließen als einer Ansprache an die internationale Wirtschaftselite.
Ein Präsident auf Konfrontationskurs
Gleich zu Beginn machte Milei klar, dass er nicht angetreten war, um diplomatisch Brücken zu bauen. Stattdessen präsentierte er Argentinien als Vorreiter einer „neuen politischen Allianz“ gegen die „Fehler des Westens“.
Er lobte seine Verbindungen zu Persönlichkeiten wie Donald Trump, Viktor Orbán, Giorgia Meloni und Elon Musk, die er als Teil eines „internationalen Netzwerks für echten Wandel“ bezeichnete.
Doch statt sich auf wirtschaftliche Themen zu konzentrieren – etwa die beeindruckende Verringerung der Inflation in seinem Land – verschob Milei den Fokus auf einen kulturellen „Kreuzzug“ gegen das, was er als „ideologische Verirrung des Westens“ bezeichnete.
Dabei sparte er nicht mit Schlagworten: Wokismus, Genderideologie, Feminismus und Klimaschutz – all das seien Werkzeuge, um die „unnatürliche Expansion des Staates“ zu rechtfertigen.
„Kranker Wokismus“ als Feindbild
Besonders scharf attackierte Milei die westlichen Institutionen, die er als „kolonisiert von Wokismus“ beschrieb. Er bezeichnete diese Bewegung als „Epidemie“ und „Krebs unserer Zeit“, der nicht nur gesellschaftliche Werte zerstöre, sondern auch die wirtschaftlichen Grundlagen des Westens aushöhle.
Diese Rhetorik ging so weit, dass Milei eine „umgekehrte Kolonialisierung“ durch Migration anprangerte, die er als Folge eines „kollektiven Schuldgefühls“ im Westen interpretierte.
Für die Anwesenden in Davos, die auf eine differenzierte Analyse oder konkrete Handlungsvorschläge gehofft hatten, dürfte die Rede des argentinischen Präsidenten eher befremdlich gewirkt haben. Die Mischung aus Populismus und kultureller Polarisierung stieß auf verhaltenen Applaus und verdutzte Gesichter.
Vertane Chancen: Mileis wirtschaftliche Bilanz
Dabei hätte Milei durchaus Grund gehabt, sich auf seine wirtschaftlichen Leistungen zu konzentrieren. Seit seinem Amtsantritt vor 13 Monaten hat er es geschafft, die Inflation von fast 300 Prozent auf 117 Prozent zu senken – ein bemerkenswerter Erfolg in einem Land, das lange Zeit von wirtschaftlicher Instabilität geprägt war. Auch der argentinische Peso hat an Stabilität gewonnen, und die Rückkehr an die internationalen Finanzmärkte rückt in greifbare Nähe.
Eine Dollar-Anleihe des Landes, die zwischenzeitlich auf Tiefstände von 20 Cent gefallen war, notiert mittlerweile wieder bei knapp 80 Cent pro Dollar – ein klares Zeichen für gestiegenes Vertrauen der Investoren.
Doch statt diese Erfolge zu nutzen, um internationale Geldgeber zu überzeugen, verschwendete Milei die Gelegenheit in Davos auf seine ideologische Offensive.
Das Publikum bleibt skeptisch
Die Reaktionen auf Mileis Auftritt waren entsprechend kühl. Während einige seiner wirtschaftspolitischen Maßnahmen von Experten als richtungsweisend bewertet werden, stellte sein kultureller Kreuzzug die Frage nach seiner langfristigen Agenda.
Statt sich auf dringend benötigte Investitionen und wirtschaftliche Kooperationen zu konzentrieren, schien Milei seine eigene politische Basis bedienen zu wollen.
Ein polarisierender Präsident ohne Brückenbauerqualitäten
Mileis Auftritt in Davos war ein Spiegelbild seiner innenpolitischen Strategie: Konfrontation statt Konsens. Zwar mag seine entschiedene Haltung gegenüber institutionellen Problemen in Argentinien Resonanz finden, doch auf der internationalen Bühne wirkt sein Ansatz isolierend.
Am Ende bleibt der Eindruck, dass Milei eine Gelegenheit verpasst hat, Argentinien als attraktiven Wirtschaftspartner zu positionieren. Stattdessen bleibt die Erinnerung an eine polarisierende Rede, die mehr Fragen aufwarf, als sie Antworten lieferte – und die wirtschaftliche Fortschritte seines Landes in den Hintergrund rückte.
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