Noch vor wenigen Tagen markierte Rheinmetall ein Rekordhoch bei 1.500 Euro, jetzt rauscht der Kurs auf 1.413 Euro – ein Rücksetzer von über drei Prozent. Nach einem beispiellosen Anstieg von mehr als 180 Prozent in zwölf Monaten mag das nach einer Randnotiz klingen.
Doch der Rückgang wirft eine größere Frage auf: Beginnt die Euphorie rund um Europas größte Rüstungsschmiede bereits zu bröckeln?
Ein Kursrückgang mit vielen Ursachen
Händler verweisen auf klassische Gewinnmitnahmen – verständlich nach dem steilen Anstieg seit Jahresbeginn. Doch es steckt mehr dahinter: Ausgerechnet der britische Rivale BAE Systems könnte Rheinmetall mittelfristig Marktanteile streitig machen.
Der britische Konzern hat angekündigt, seine Produktionskapazität für 155-Millimeter-Artilleriemunition binnen kurzer Zeit zu ver-16-fachen – ein technologischer und industrieller Kraftakt, flankiert von 150 Millionen Pfund an Investitionen.
Diese Kaliber sind derzeit hoch gefragt – besonders in der Ukraine, wo NATO-Standards dominieren. JPMorgan-Analyst David Perry warnt: Der Markt für schwere Munition wächst zwar rasant, aber die Eintrittsbarrieren sinken. Dass Rheinmetall seine Position behalten könne, sei keine Selbstverständlichkeit.
Aufrüsten ohne Limit?
Die geopolitische Lage bleibt angespannt – und mit ihr die Rüstungshaushalte. Rheinmetall profitiert massiv vom strategischen Umdenken in Europa. Deutschland, Frankreich, Polen, die baltischen Staaten: Alle investieren so viel wie nie zuvor in ihre Streitkräfte.
Die Rheinmetall-Werke in Kassel, Unterlüß und demnächst auch in der Ukraine laufen auf Hochtouren.
Das Unternehmen selbst gibt sich optimistisch. Bis 2027 will der Konzern seinen Nettogewinn verdoppeln. Möglich macht das ein Auftragsbestand in Rekordhöhe – zuletzt meldete der Konzern Bestellungen im Wert von über 30 Milliarden Euro. Besonders gefragt: gepanzerte Fahrzeuge, Hightech-Artillerie und Munitionssysteme.
Ein Ende des Booms? Vorerst nicht in Sicht
Kurzfristig mag die Aktie schwächeln – langfristig bleibt Rheinmetall einer der größten Profiteure der Zeitenwende in der Sicherheitspolitik. Der Rücksetzer nach Ostern ist kein Anzeichen für ein Ende des Trends, sondern Ausdruck kurzfristiger Marktbewegungen in einem hochvolatilen Segment.
Auch Analysten bleiben gelassen. Die Rüstungsindustrie, lange Zeit ein politisches Tabu, ist inzwischen fester Bestandteil strategischer Industriestrategien Europas. In einer Welt, in der Sicherheit zur Währung wird, sind Rüstungskonzerne die neuen Stabilitätsanker.
Das Risiko: Konkurrenz und Moral
Trotz glänzender Bilanzen bleibt die Branche nicht ohne Risiko. Der politische Gegenwind wächst, vor allem im Umfeld der Europawahl. Und je stärker die Margen, desto schärfer wird die Debatte um Ethik und Verantwortung.
Auch technologisch ist der Vorsprung endlich. Die britische BAE demonstriert, dass moderne Produktionsverfahren Skaleneffekte möglich machen, die vor wenigen Jahren undenkbar schienen. Rheinmetall muss schneller und innovativer sein – nicht nur schwerer bewaffnet.
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