Das britische Gesundheitsministerium MHRA (Medicines and Healthcare products Regulatory Agency) gab am Donnerstag bekannt, dass weltweit zum ersten Mal ein Medikament, das auf der Genscheren-Technologie Crispr basiert, in Großbritannien zugelassen wurde. Der neuartige Wirkstoff mit dem Namen "Casgevy" wird zur Behandlung der Sichelzellkrankheit und der Beta-Thalassämie bei Patienten ab zwölf Jahren eingesetzt. Beide Krankheiten sind genetisch bedingte Bluterkrankungen, bei denen Fehler im Hämoglobin-Gen vorliegen. Hämoglobin ist ein eisenhaltiger Proteinkomplex, der in roten Blutkörperchen den Sauerstofftransport ermöglicht.
Die bahnbrechende Genschere Crispr/Cas kann gezielt auf einzelne Gene abzielen. Die Entwicklerinnen dieser Methode, Emmanuelle Charpentier und Jennifer A. Doudna, erhielten im Jahr 2020 den Nobelpreis dafür. Laut einer Mitteilung der MHRA ermöglicht "Casgevy" die Modifizierung der fehlerhaften Gene in den Knochenmark-Stammzellen der Patienten, um funktionsfähiges Hämoglobin zu produzieren. Dafür werden Stammzellen dem Knochenmark entnommen, im Labor genetisch verändert und anschließend dem Patienten wieder zugeführt. Die Therapie erfordert einen mehrwöchigen Krankenhausaufenthalt, hat jedoch das Potenzial, lebenslang zu wirken.
Julian Beach, Interims-Exekutivdirektor der Abteilung Healthcare Quality and Access der MHRA, betonte, dass sowohl die Sichelzellkrankheit als auch die Beta-Thalassämie schmerzhafte und potenziell tödliche Erkrankungen sind. Bisher sei eine Knochenmarktransplantation, die von einem gut passenden Spender stammen müsse und das Risiko einer Abstoßung mit sich bringe, die einzige dauerhafte Behandlungsoption gewesen.
Die Sichelzellkrankheit kann zu schweren Schmerzanfällen, lebensgefährlichen Infektionen und Blutarmut führen, während Patienten mit Beta-Thalassämie ebenfalls unter Blutarmut leiden und häufig Bluttransfusionen benötigen.
Laut Studienergebnissen waren 97 Prozent der mit "Casgevy" behandelten Patienten mit Sichelzellkrankheit mindestens ein Jahr lang frei von schweren Schmerzanfällen. Bei der klinischen Studie mit Beta-Thalassämie-Patienten, die auf Bluttransfusionen angewiesen waren, benötigten 93 Prozent für mindestens zwölf Monate keine Transfusion roter Blutzellen. Bei den übrigen drei Patienten konnte eine Reduzierung der Bluttransfusionen um mindestens 70 Prozent erreicht werden.
Das Medikament "Casgevy" wird in einer Zusammenarbeit der Unternehmen Vertex und CRISPR Therapeutics hergestellt, die ihren Hauptsitz in den USA und der Schweiz haben. Laut einer gemeinsamen Mitteilung der beiden Unternehmen kommen derzeit etwa 2000 Menschen in Großbritannien für eine Behandlung mit "Casgevy" infrage. Reshma Kewalramani, Geschäftsführerin von Vertex, bezeichnete die Zulassung als einen "historischen Tag in der Wissenschaft und Medizin". Samarth Kulkarni, CEO von CRISPR-Therapeutics, äußerte die Hoffnung, dass dies nur der erste von vielen Anwendungsbereichen dieser Methode sei, die Menschen mit schweren Erkrankungen zugutekommen könnten.