KPMG Law US nimmt Gestalt an
Es könnte ein Wendepunkt in der Geschichte der US-amerikanischen Rechtsdienstleistungen werden. KPMG, einer der sogenannten „Big Four“ der internationalen Wirtschaftsprüfung, steht kurz davor, als erstes Unternehmen seiner Art eine Lizenz zur Rechtsberatung in den Vereinigten Staaten zu erhalten. Eine gerichtliche Empfehlung in Arizona bringt KPMG diesem Ziel näher.
Sollte der Antrag genehmigt werden, wird der Konzern seine Rechtsabteilung, KPMG Law US, ins Leben rufen – und damit ein bisher verschlossenes Kapitel des US-Marktes aufschlagen.
Arizona: Ein Vorreiter für regulatorische Reformen
Im Jahr 2021 verabschiedete Arizona ein bahnbrechendes Programm, das sogenannte „Alternative Business Structures“ (ABS) erlaubt.
Diese Regelung hebt die traditionelle Trennung zwischen juristischen und nicht-juristischen Eigentümern von Kanzleien auf – ein Konzept, das vom American Bar Association bisher vehement verteidigt wurde.
Mit diesem Schritt öffnet sich erstmals die Tür für Unternehmen wie KPMG, die in anderen Ländern bereits stark in den Markt für Rechtsdienstleistungen eingestiegen sind.
Während KPMG weltweit in über 80 Jurisdiktionen Rechtsdienstleistungen anbietet, war der US-Markt bislang tabu.
Der Schritt in den US-Rechtsmarkt wird vom Unternehmen als Chance bezeichnet, seine Expertise in skalierbaren, prozessgetriebenen Dienstleistungen wie M&A-Integration und Vertragsmanagement einzubringen.
Mehr Zugang, mehr Effizienz – aber auch mehr Risiko?
Befürworter der ABS-Regelung, wie die Arizona Supreme Court, betonen die Vorteile: niedrigere Kosten, breiterer Zugang zu Rechtsdienstleistungen und ein tieferer Wettbewerb. Kritiker warnen hingegen, dass Profitinteressen die Qualität der juristischen Beratung gefährden könnten.
KPMG versichert, dass es strikte ethische Standards geben wird. Eine Überschneidung zwischen juristischen Mandanten und Audit-Kunden wird ausgeschlossen.
Doch das Potenzial, dass Big Four-Unternehmen mit ihren globalen Netzwerken und tiefen Ressourcen den Markt transformieren könnten, bleibt ein heiß diskutiertes Thema.
Ein neuer Spieler – aber keine existenzielle Bedrohung
Brad Blickstein, CEO der auf Rechtsdienstleistungen spezialisierten Beratung Blickstein Group, glaubt nicht, dass traditionelle Kanzleien ihre Marktposition unmittelbar gefährdet sehen müssen.
„Auch in Ländern wie Großbritannien, wo Big Four uneingeschränkten Zugang haben, konnten sie die etablierten Kanzleien nicht verdrängen.“
Dennoch sieht Blickstein langfristig eine wachsende Bedeutung der Big Four im Rechtsmarkt. Mit ihrer Fähigkeit, Dienstleistungen kosteneffizient und skalierbar anzubieten, könnten sie vor allem in standardisierten Bereichen wie Compliance und Vertragsmanagement zunehmend Marktanteile gewinnen.
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Die Revolution bleibt vorerst lokal
Interessanterweise wird KPMG zunächst nur in Arizona tätig sein können – zumindest solange, bis andere Bundesstaaten ähnliche Programme einführen.
Utah experimentiert bereits mit einem ähnlichen Modell, während in Washington, D.C., Minderheitsbeteiligungen von Nichtjuristen erlaubt sind. Der Großteil der Staaten hält jedoch an der traditionellen Trennung fest.
„Das könnte der Beginn eines langfristigen Wandels sein, aber es ist eben nur ein erster Schritt,“ fasst Blickstein zusammen.
Warum dieser Schritt bedeutend ist
Die Aussicht, dass die Big Four in einen so lukrativen Markt wie den der US-Rechtsdienstleistungen eintreten, sendet Schockwellen durch die Branche. Für Kanzleien könnte es bedeuten, dass sie sich stärker auf ihre Kernkompetenzen konzentrieren müssen, während standardisierte Prozesse an globale Dienstleister ausgelagert werden.
Für Unternehmen wie KPMG hingegen bietet sich die Möglichkeit, ein weiteres Standbein in einem Markt aufzubauen, der sowohl Wachstum als auch Stabilität verspricht. Der globale Umsatz von KPMG’s Steuer- und Rechtsabteilung stieg zuletzt um fast 10 Prozent – ein klarer Hinweis darauf, welches Potenzial in diesem Geschäftsbereich steckt.