Schluss mit der bürokratischen Praxis der Krankschreibungen für Kinder bei Bagatellerkrankungen. Eine Forderung, die nicht nur das Potential hat, Arztpraxen zu entlasten, sondern auch den Alltag berufstätiger Eltern zu revolutionieren.
Zwischen Fürsorge und Formalität
Die Forderung des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ) bringt eine langjährige Debatte auf den Punkt: Inwiefern sollten Eltern die Verantwortung für die Gesundheitspflege ihrer Kinder bei leichten Erkrankungen selbst übernehmen können, ohne den Umweg über eine ärztliche Krankschreibung gehen zu müssen?
Michael Hubmann, Präsident des BVKJ, vertritt eine klare Position: Eltern sind durchaus in der Lage, harmlose Erkrankungen wie eine einfache Erkältung oder einen Mückenstich eigenständig zu managen.
Ein ineffizienter Einsatz medizinischer Ressourcen
Die aktuelle Praxis, auch bei geringfügigen Gesundheitsbeschwerden eine ärztliche Bescheinigung zu verlangen, wird von Kinderärzten als „unnötiger Einsatz pädiatrischer Ressourcen“ angesehen.
Ärzte werden in eine Rolle gedrängt, die sie selbst als „Verfolgungsbehörden der Arbeitgeberverbände“ empfinden – eine Rolle, die weder ihrer Ausbildung noch ihrem Selbstverständnis entspricht.
Eine gesellschaftliche Belastung
Die Folgen dieser Praxis sind nicht nur für das Gesundheitssystem, sondern auch für die Gesellschaft spürbar. Eltern müssen ihre Arbeitsplätze verlassen, um bei leichten Beschwerden ihrer Kinder ärztliche Atteste zu beschaffen.
Ein Prozess, der nicht nur für die Eltern, sondern auch für die Arbeitgeber eine erhebliche Belastung darstellt. Hubmann illustriert dies mit einem alltäglichen Beispiel: Ein Kind erhält wegen eines Mückenstichs keinen Zutritt zur Kita – ein Szenario, das zwar absurd klingt, aber in der Realität keine Seltenheit ist.
Lauterbachs Reformversprechen
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach hat bereits Erleichterungen bei der Beantragung von Kinderkrankengeld in Aussicht gestellt. Die geplante Reform, die einen Arztbesuch erst ab dem vierten Krankheitstag eines Kindes erforderlich macht, könnte ein Schritt in die richtige Richtung sein. Doch geht sie den Kinder- und Jugendärzten nicht weit genug.
Ein Weckruf für das Gesundheitssystem
Die Initiative des BVKJ könnte ein Weckruf für eine überfällige Reform im Umgang mit Krankschreibungen bei Kindern sein. Es ist ein Plädoyer für mehr Eigenverantwortung der Eltern und eine Entlastung der Kinderärzte, die sich auf die Behandlung ernsthafter Erkrankungen konzentrieren könnten.
In einer Zeit, in der das Gesundheitssystem unter einem nie dagewesenen Druck steht, erscheint diese Forderung nicht nur vernünftig, sondern auch notwendig.
Ein Blick in die Zukunft
Die Debatte um die Krankschreibung von Kindern bei leichten Erkrankungen steht exemplarisch für größere Fragen der Effizienz und Humanität unseres Gesundheitssystems.
Eine Neugestaltung dieser Praxis könnte den Weg für eine gesellschaftliche Veränderung ebnen, die sowohl die medizinische Versorgung als auch das Familienleben in Deutschland nachhaltig verbessert.