Ein Land im Quadrilemma
Deutschland steckt fest. Seit 2019 ist die Wirtschaft nicht mehr gewachsen, die Energiepreise sind die höchsten in Europa und die Bürokratie lähmt Unternehmen.
Die Ausgangslage könnte kaum schwieriger sein, denn zusätzlich ist das Land international in einem Spannungsfeld gefangen: Zwischen den USA und China, zwischen grüner Transformation und wirtschaftlicher Realität, zwischen gesellschaftlicher Polarisierung und wirtschaftlicher Stagnation.
Beim diesjährigen Wirtschaftsgipfel in Berlin treffen politische und wirtschaftliche Führungspersönlichkeiten aufeinander, um über konkrete Lösungen zu debattieren.
Die Dimension der Probleme ist dabei so umfassend, dass ein einfaches Trilemma – wie man es in wirtschaftlichen Kreisen oft nennt – nicht mehr ausreicht, um die Herausforderungen zu beschreiben.
Stattdessen sprechen Experten inzwischen von einem Quadrilemma: vier sich gegenseitig widersprechenden Anforderungen, die alle gleichzeitig angegangen werden müssen.
Energie: Deutschlands Achillesferse
Ein zentrales Thema des Gipfels ist die Energieversorgung. Die Preise in Deutschland sind nicht nur die höchsten in Europa, sondern auch extrem volatil. Eine Megawattstunde kostet hierzulande im Durchschnitt 106,37 Euro, während Frankreich bei nur 30,53 Euro liegt und Spanien geradezu unschlagbare 16,45 Euro bietet.
Diese Zahlen zeigen, warum Unternehmen zunehmend skeptisch auf den Standort blicken – insbesondere im Wettlauf um Zukunftstechnologien wie Künstliche Intelligenz, deren Erfolg günstige und stabile Energiepreise voraussetzt.
„Energie ist das Fundament jeder Volkswirtschaft. Im Zeitalter der Digitalisierung ist sie gleichbedeutend mit Intelligenz“, sagte ein Teilnehmer des Gipfels.
Der Konsens: Ohne eine Reform der Energiepolitik bleibt Deutschland im globalen Wettbewerb chancenlos.
Bürokratie: Die unsichtbare Wachstumshürde
Doch nicht nur die Energiepreise bremsen die wirtschaftliche Dynamik. Eine ebenso große Hürde ist die Bürokratie. Laut einer aktuellen Studie des Ifo-Instituts kosten Bürokratievorschriften die deutsche Wirtschaft jährlich 65 Milliarden Euro – die indirekten Verluste durch entgangene Produktivität werden sogar auf 146 Milliarden Euro geschätzt.
„Jeder Deutsche könnte 3.000 Euro reicher sein, wenn die Bürokratie der letzten Jahre nicht aus dem Ruder gelaufen wäre“, heißt es in der Analyse.
Besonders gravierend: Selbst grundlegende Prozesse wie die Steuererklärung verursachen in Deutschland doppelt so hohe Kosten wie in anderen Ländern. „Das System ist unnötig kompliziert und erstickt Innovation“, kritisiert ein Unternehmer auf dem Gipfel. Forderungen nach einem Bürokratieabbau gehören deshalb zu den zentralen Themen der Veranstaltung.
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Internationale Spannungen als Belastung
Der Blick über die Landesgrenzen macht die Lage nicht einfacher. Die Wiederwahl von Donald Trump in den USA und die wachsende Macht Chinas zwingen Deutschland, sich neu zu positionieren.
Die Exportnation steht zwischen zwei großen Wirtschaftsmächten, deren Strategien immer weniger miteinander kompatibel sind. „Die Abhängigkeit von den USA und China ist eine strategische Schwäche, die wir angehen müssen“, sagte ein Teilnehmer.
Die Frage nach Deutschlands außenpolitischer Strategie wird auch durch die Teilnahme von Tesla-CEO Elon Musk und Israels Premierminister Benjamin Netanjahu ergänzt.
Beide sollen auf dem Gipfel nicht nur über geopolitische Herausforderungen sprechen, sondern auch Einblicke geben, wie Innovation und Bürokratieabbau in ihren jeweiligen Ländern vorangetrieben werden.
Der Ruf nach einem Masterplan
Die Erwartungen an die Veranstaltung könnten kaum höher sein. Volkswagen-CEO Oliver Blume fordert einen „Masterplan für den Industriestandort Deutschland“.
Es gehe nicht nur darum, Probleme zu erkennen, sondern konkrete und umsetzbare Lösungen zu entwickeln. Dabei sei auch die Politik gefragt: „Wir brauchen politische Entschlossenheit und den Willen, Deutschland wieder an die Spitze zu führen.“
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