12. Dezember, 2024

Politik

Rekordhoch: Warum die Zahl staatenloser Menschen in Deutschland so stark gestiegen ist

Noch nie lebten so viele staatenlose Personen in Deutschland wie im Jahr 2023. Besonders seit 2014 zeigen die Zahlen eine dramatische Entwicklung. Was bedeutet das für die Gesellschaft – und wie wird damit umgegangen?

Rekordhoch: Warum die Zahl staatenloser Menschen in Deutschland so stark gestiegen ist
Fast 30.000 staatenlose Menschen lebten 2023 in Deutschland, ein historisches Hoch.

Eine stille Krise: Staatenlosigkeit auf dem Vormarsch

Fast 30.000 Menschen ohne Staatsangehörigkeit leben derzeit in Deutschland. Ein Rekord, wie die aktuelle Erhebung des Statistischen Bundesamts zeigt. Doch dieser Zustand ist mehr als eine Randnotiz.

Staatenlosigkeit bedeutet für die Betroffenen oft massive Einschränkungen – bei Rechten, Perspektiven und gesellschaftlicher Teilhabe.

Die Entwicklung zeigt eine beunruhigende Dynamik: Während es 2014 noch knapp 14.650 staatenlose Menschen in Deutschland gab, hat sich diese Zahl bis 2023 mehr als verdoppelt. Besonders deutlich war der Anstieg zwischen 2014 und 2015 – ein Sprung um über 27 Prozent innerhalb eines Jahres.

Woher kommen die Staatenlosen?

Die Statistik bietet ein aufschlussreiches Bild der Herkunft. Fast die Hälfte der staatenlosen Menschen in Deutschland wurde in Syrien geboren. Deutschland selbst ist das zweithäufigste Geburtsland, gefolgt von Ländern wie dem Libanon, Israel und Russland. Eine signifikante Anzahl bleibt jedoch in der Kategorie „unbekannt“ oder „andere“.

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Die hohe Zahl staatenloser Syrer erklärt sich durch die andauernden Konflikte und rechtlichen Unsicherheiten in ihrer Heimat. Viele fliehen aus einem Land, das selbst in seiner Verwaltung oft nicht in der Lage ist, die Staatsangehörigkeit klar zu regeln.

Wie wird Staatenlosigkeit festgestellt?

In Deutschland gilt eine Person als staatenlos, wenn kein Land sie gemäß seinen Gesetzen als Staatsangehörige anerkennt. Dieser Status wird häufig im Rahmen von Asyl- oder Aufenthaltsverfahren geprüft und festgelegt.

Komplizierter wird es bei „ungeklärter Staatsangehörigkeit“. Hier fehlt eine eindeutige Zuordnung – oft aufgrund verlorener Dokumente oder unklarer Herkunft. Dieser Zustand kann insbesondere Kinder betreffen, die in Deutschland geboren wurden, deren Eltern jedoch keine ausreichenden Aufenthaltsrechte haben.

Mit fast 48 Prozent stellt Syrien die größte Gruppe staatenloser Personen in Deutschland.

Die unsichtbare Bürde der Staatenlosigkeit

Staatenlosigkeit ist weit mehr als ein bürokratisches Problem. Sie bedeutet oft ein Leben ohne grundlegende Rechte: keine Reisefreiheit, erschwerter Zugang zu Bildung und Arbeitsmöglichkeiten, begrenzte Sozialleistungen. Der Status „staatenlos“ kann ein Leben in der Warteschleife bedeuten – ohne Perspektive auf Integration oder Normalität.

Besonders alarmierend ist der hohe Anteil junger Menschen unter den Staatenlosen. Rund ein Viertel der Betroffenen ist unter 18 Jahre alt. Für sie bedeutet Staatenlosigkeit einen unsicheren Start ins Leben – ohne die Basis, die andere Kinder selbstverständlich genießen.

Einbürgerung als Ausweg?

Die Einbürgerung bietet für viele staatenlose Menschen eine Perspektive. Und die Zahlen zeigen, dass Deutschland hier Fortschritte macht: 2023 wurden 3.600 staatenlose Personen eingebürgert – ein deutlicher Anstieg im Vergleich zu den 1.400 Einbürgerungen im Jahr 2021.

Doch dieser Fortschritt hat Grenzen. Der Prozess bleibt oft langwierig und bürokratisch, insbesondere für Personen mit unklaren Dokumenten oder ohne nachweisbaren Geburtsort.

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