19. April, 2025

Reichtum

Raus, wenn’s kracht? Warum ETF-Verkauf bei Kurseinbruch selten eine gute Idee ist

Die Kurse stürzen, die Nerven liegen blank: Viele Privatanleger liebäugeln damit, ihre ETFs zu verkaufen und später günstiger zurückzukaufen. Klingt klug – ist aber in der Praxis fast immer ein Bumerang.

Raus, wenn’s kracht? Warum ETF-Verkauf bei Kurseinbruch selten eine gute Idee ist
Verluste seit Februar: ETFs auf den MSCI World fielen binnen zwei Monaten um rund 18 % – ausgelöst durch Trump-Zölle, geopolitische Spannungen und Konjunktursorgen. Viele Privatanleger denken nun über Ausstieg nach.

Das Szenario: 18 % Minus in zwei Monaten

Seit Mitte Februar haben ETFs auf den MSCI World rund 18 Prozent verloren. Der Auslöser: eine Mischung aus geopolitischer Nervosität, Trumps neu angekündigten Strafzöllen und einer abkühlenden Weltkonjunktur. Viele Anleger fragen sich: Jetzt verkaufen – und später wieder einsteigen, wenn die Börse günstiger ist?

Klingt logisch. Aber es ist eine Strategie, die in der Praxis fast nie funktioniert. Warum? Weil sie Timing erfordert – und genau das ist für Privatanleger so gut wie unmöglich.

Die Theorie: Wer den Crash auslässt, wird reich

Rückblickend sieht Market Timing immer genial aus: Wer nur die 50 schlechtesten Börsentage seit 1986 verpasst hätte, hätte aus dem MSCI World keine 1040, sondern rund 14.000 Prozent gemacht.

Das Problem: Diese Tage sind nicht vorhersehbar. Sie sind oft eingebettet in volatile Phasen, in denen auch die besten Börsentage stattfinden. Wer also aus Angst vor einem Einbruch verkauft, verpasst nicht nur die Krise – sondern auch die plötzliche Erholung.

Die besten und schlechtesten Tage liegen oft dicht beieinander. Und genau das macht die Strategie gefährlich: Wer rausgeht, ist oft dann draußen, wenn sich das Blatt wendet.

Die Praxis: Geringe Trefferquote, hoher Preis

Finanzprofessor Martin Weber bringt es auf den Punkt: „Den richtigen Zeitpunkt zum Wiedereinstieg zu treffen, gelingt so gut wie nie.“ Studien bestätigen das: Anleger, die versuchen, Schwächephasen zu umgehen, schneiden langfristig meist schlechter ab als solche, die investiert bleiben – selbst wenn sie kurzfristig Verluste hinnehmen müssen.

Denn jede Verkaufsentscheidung verlangt eine zweite, meist noch schwerere Entscheidung: Wann steige ich wieder ein? Wer das verpasst, steht schnell schlechter da als derjenige, der einfach investiert geblieben ist.

ETF-Funktion bleibt intakt: Auch in Korrekturphasen bilden ETFs wie der MSCI World zuverlässig den zugrundeliegenden Index ab. Panikverkäufe führen oft zu realen Verlusten – Geduld bringt statistisch meist die bessere Rendite.

Psychologie schlägt Strategie

Hinzu kommt die emotionale Seite. Wer in Panik verkauft, muss auch den Mut haben, in der Krise wieder einzusteigen. Doch genau dann schrecken viele zurück – aus Angst, die Kurse könnten noch weiter fallen. Am Ende sitzen sie mit Cash an der Seitenlinie, während der Markt wieder steigt.

Börsenpsychologen sprechen vom „Double Loss“-Effekt: Anleger verlieren zuerst Geld – und dann die Chance, es zurückzugewinnen.

Der Markt straft Zögerer – nicht Optimisten

Natürlich klingt es verlockend, vor einem Kursrutsch auszusteigen und später günstiger zurückzukaufen. Und natürlich gibt es Beispiele, bei denen das gelungen ist. Doch die Regel ist es nicht – im Gegenteil: Die Statistik zeigt, dass Market Timing selbst für Profis mit viel Datenzugang ein Glücksspiel bleibt.

Langfristig erfolgreiche Investoren – von Warren Buffett bis zu John Bogle – verfolgen deshalb eine andere Strategie: Buy & Hold, und zwar konsequent. Wer regelmäßig investiert, senkt sein Einstiegsrisiko über den Cost-Average-Effekt und profitiert von Aufschwüngen, ohne die Nerven zu verlieren.