Ein unschlagbares Angebot hier, ein Exklusiv-Rabatt dort – Supermärkte setzen zunehmend auf digitale Kundenbindung. Doch was als Ersparnis beworben wird, dient oft ganz anderen Zielen.
Ein Blick hinter die Kulissen der Supermarkt-Apps zeigt: Kunden werden durch gezielte Rabattstrategien nicht nur zum Kauf verleitet, sondern liefern dem Handel wertvolle Daten – oft, ohne es zu merken.
Apps als neue Kundenfalle?
Lange war der Einzelhandel ein klar strukturiertes Geschäft: Kunden kamen in den Laden, kauften Produkte und gingen wieder. Doch mit der digitalen Transformation hat sich das grundlegend verändert.
Heute möchten Supermärkte nicht nur verkaufen – sie wollen auch verstehen, wie ihre Kunden ticken. Und genau hier setzen digitale Rabattprogramme an.
Fast 75 Prozent aller Smartphone-Nutzer in Deutschland haben mindestens eine Supermarkt-App installiert, so eine Studie des Digitalverbands Bitkom. Besonders beliebt sind Anwendungen von Lidl, Rewe und Netto, die mit personalisierten Rabatten, Exklusiv-Coupons und digitalen Treuepunkten locken.
Doch während Verbraucher vermeintlich sparen, sammeln die Anbieter im Hintergrund umfassende Daten über Einkaufsverhalten, Vorlieben und Aufenthaltsorte der Nutzer.
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Preis-Chaos an der Kasse: Absicht oder Panne?
Viele Kunden berichten von Stresssituationen an der Kasse: Wer schnell sparen will, muss erst in der App aktivierte Coupons vorzeigen, während Kassierer und Wartende ungeduldig werden.
Oft kommt es zu absurden Dialogen: Der Rabatt greift nicht, der Kunde sucht hektisch in der App, die Kassiererin hilft beim Aktivieren. Ein aufwendiger Prozess – für 17 Cent Ersparnis.
Dieses System ist kein Zufall. Experten sprechen von einer gezielten Strategie: Durch die umständliche Rabattaktivierung bleiben Kunden länger in der App, beschäftigen sich mehr mit Angeboten und treffen so impulsivere Kaufentscheidungen. Supermärkte nutzen dabei die psychologische Wirkung von FOMO (Fear of Missing Out) – der Angst, ein Angebot zu verpassen.
„Viele Nutzer haben das Gefühl, etwas zu verlieren, wenn sie eine Aktion nicht rechtzeitig aktivieren“, erklärt Handelspsychologe Dr. Markus Ritter. „Das führt dazu, dass sie sich intensiver mit der App auseinandersetzen – und letztlich mehr kaufen.“
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Datensammeln unter dem Deckmantel von Rabatten
Doch es geht nicht nur um mehr Umsatz durch Spontankäufe. Die wahre Währung der Supermarkt-Apps sind die Kundendaten. Jede Interaktion, jede Aktivierung eines Coupons und jeder Einkauf hinterlässt Spuren.
Die Händler wissen genau, welche Produkte besonders oft gekauft werden, wann Kunden einkaufen und welche Werbeaktionen erfolgreich sind.
Besonders perfide: Viele Verbraucher sind sich der weitreichenden Datensammlung gar nicht bewusst. Während sie glauben, durch Rabatte zu profitieren, werden sie selbst zu einem Produkt – ihre Daten sind bares Geld wert.
„Retail Media“ heißt das neue Milliarden-Geschäft, bei dem Einzelhändler diese Informationen an Werbepartner verkaufen, um personalisierte Werbung noch gezielter auszuspielen.
Aldi als Gegenmodell – bewusster Verzicht auf Kundenanalyse?
Interessanterweise schwimmt einer der größten Player gegen den Strom: Aldi. Während Konkurrenten ihre Apps immer weiter mit Funktionen aufrüsten, bleibt die Aldi-App ein einfacher digitaler Prospekt. Keine Rabattpunkte, keine Gewinnspiele, keine Datensammlung.
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Warum? Der Discounter verzichtet bewusst auf das Datengeschäft und setzt weiterhin auf seinen klassischen Preisvorteil.
Handelsexperte Thomas Jürgens sieht darin einen strategischen Schachzug: „Aldi positioniert sich als transparente Alternative, um das Vertrauen der Kunden zu stärken. Während andere Einzelhändler versuchen, den Kunden digital einzufangen, setzt Aldi auf seine Kernkompetenz: günstige Preise.“
Rechtliche Grauzone: Verbraucherschützer greifen ein
Während Kunden von den Apps immer abhängiger werden, mehren sich die kritischen Stimmen. Die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg hat Lidl und Penny wegen ihrer Preisangaben abgemahnt.
Der Vorwurf: Die App-Rabatte verstoßen gegen die Preisangabenverordnung, weil der ursprüngliche Preis nicht transparent ausgewiesen wird. Das schafft Unsicherheit und führt dazu, dass Kunden nicht mehr genau wissen, was sie tatsächlich sparen.
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