Rumänien steht vor einer politischen Zeitenwende. Der Außenseiter Calin Georgescu hat die erste Runde der Präsidentschaftswahl überraschend für sich entschieden und dabei nicht nur die politische Elite des Landes, sondern auch internationale Beobachter schockiert.
Mit 22,95 Prozent der Stimmen zieht der 62-jährige Georgescu, ein ehemaliger Agrarwissenschaftler, in die Stichwahl gegen Elena Lasconi, eine konservativ-liberale Politikerin. Doch sein Erfolg ist mehr als nur ein Signal an das Establishment – er birgt geopolitische Sprengkraft.
Anti-NATO-Rhetorik und prorussische Tendenzen
Georgescu polarisiert. Er stellt offen die NATO-Mitgliedschaft Rumäniens infrage, bezeichnete das Raketenabwehrsystem in Deveselu als „diplomatische Schande“ und plädiert für eine stärkere Zusammenarbeit mit Russland.
Solche Positionen sind nicht nur in Rumänien umstritten, sondern werfen auch in Brüssel und Washington die Frage auf, wie belastbar die Südostflanke der NATO noch ist.
Besonders brisant: Rumänien spielt eine Schlüsselrolle bei der Unterstützung der Ukraine. Über sein Territorium laufen wesentliche Waffenlieferungen in das Kriegsgebiet, und die NATO unterhält hier strategisch wichtige Militärbasen. Ein Präsident mit antiwestlicher Agenda könnte diese Dynamik drastisch verändern.
Ein Kandidat des Protests
Georgescus Erfolg ist ein Symptom tiefer Unzufriedenheit. Laut dem Politikwissenschaftler Armand Gosu votierten viele Wähler weniger für Georgescus Programm als gegen die etablierte Politik. „Die Menschen haben die Arroganz der politischen Elite und die Intransparenz der Ukraine-Hilfen satt“, analysiert Gosu.
Vor allem die Große Koalition aus rechten und linken Parteien, die das politische Leben in Rumänien dominiert, hat sich zunehmend von der Bevölkerung entfremdet.
Auch die Wahlbeteiligung von nur 51 Prozent zeigt: Viele Rumänen fühlen sich nicht mehr vertreten. Georgescu verstand es geschickt, diese Stimmung für sich zu nutzen – mit einer gezielten Social-Media-Kampagne, die vor allem auf TikTok Millionen Menschen erreichte.
Gefahr für die Demokratie?
Georgescu ist kein Unbekannter. Seine Verharmlosung von rumänischen Faschisten wie Corneliu Zelea Codreanu und Diktator Ion Antonescu brachte ihm bereits den Ruf ein, extreme Positionen zu vertreten. Selbst die rechtsextreme Partei AUR distanzierte sich 2021 von ihm. Dennoch konnte er eine breite Basis an Protestwählern mobilisieren.
Lesen Sie auch:
Sein Erfolg erinnert an ähnliche Entwicklungen in anderen Ländern. In den USA feierte Donald Trump zuletzt ein politisches Comeback, während in Moldau das antieuropäische Lager bei einem Referendum überraschend stark abschnitt. Diese Ergebnisse werfen die Frage auf, ob sich in Europa eine neue Welle unsichtbarer Bewegungen formiert, die das politische System herausfordert.
Stichwahl mit Signalwirkung
Die entscheidende Stichwahl am 8. Dezember wird nicht nur über die Zukunft Rumäniens, sondern möglicherweise auch über die Stabilität der EU und NATO entscheiden.
Elena Lasconi, Georgescus Gegenkandidatin, setzt auf ein Bündnis demokratischer Kräfte, ähnlich wie bei der Wahl 2000, als extremistische Kräfte erfolgreich abgewehrt wurden. Ob dies erneut gelingt, bleibt abzuwarten.