Vor der eindrucksvollen Kulisse der Wiener Hofburg versammelten sich Demonstranten zum Protest gegen Herbert Kickl, den Anführer der rechtsgerichteten Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ). Dabei galt ihr Unmut ebenso dem österreichischen Bundespräsidenten Alexander Van der Bellen, der sich in prächtiger Umgebung mit Kickl traf, um ihm den Auftrag zur Regierungsbildung zu erteilen. Van der Bellen, der einst selbst an der Spitze der Grünen stand, betonte, diese Entscheidung nicht leichtfertig getroffen zu haben. Nach den gescheiterten Koalitionsgesprächen mit der ÖVP sowie anderen Parteien blieb ihm allerdings keine Wahl.
Nach drei Monaten wachsender Spannung schien Karl Nehammer, der amtierende Bundeskanzler, gescheitert: Die Verhandlungen zur Bildung einer koalition mit der sozialdemokratischen SPÖ und der liberalen Neos scheiterten Anfang Januar an Differenzen in Wirtschafts- und Finanzfragen. Trotz vorheriger Ablehnung der FPÖ nehmen die Parteien nun den Dialog mit ihr auf.
Kickl, bekannt für seine harte Linie gegen Immigration und den Islam sowie seine Skepsis gegenüber der EU, könnte nun tatsächlich Volkskanzler werden, obwohl Kritiker irritiert sind von dieser Bezeichnung, die auch historisch belastet ist. Trotz aller Kontroversen an seiner Person deuten jüngste Umfragen auf einen Zuwachs der FPÖ an Wählerstimmen, was bei eventuellen Neuwahlen Vorteile für die Partei bringen könnte.
Dennoch sind gravierende Meinungsverschiedenheiten in der Außen- und Sicherheitspolitik Gegenstand der Verhandlungen. Darin enthalten sind Kickls Positionen zur Einstellung von Hilfen für die Ukraine und seine Machtkritik an den Sanktionen gegen Russland. Auch die Europäische Sky Shield-Initiative lehnt Kickl ab, da er sie als Bedrohung der österreichischen Neutralität sieht. Weitere Streitpunkte umfassen finanzielle Kompensationszahlungen für die Pandemiemaßnahmen und die Abschaffung der Rundfunkgebühren.
Die angespannte Lage der österreichischen Staatsfinanzen bedroht ebenfalls den politischen Fortschritt. Um eine scharfe Überwachung durch die EU-Kommission zu vermeiden, müssten rasch Milliardenkürzungen beschlossen werden. Skeptische Stimmen, wie die von Kathrin Stainer-Hämmerle, einer Expertin vom Technikum Kärnten, weisen auf das Konfliktpotential hin und halten Neuwahlen für durchaus möglich. Denn Kickls warnende Worte an die Koalitionspartner lassen auf wenig Konsenswillen schließen.