Der neu ernannte Premierminister Michel Barnier hat heute im Parlament in Paris seine Regierungserklärung abgegeben. Gleichzeitig riefen Gewerkschaften landesweit zu Kundgebungen auf; dabei wurden Streikandrohungen insbesondere bei der Staatsbahn SNCF sowie im öffentlichen Dienst laut. Mit schwerwiegenden Behinderungen wurde jedoch nicht gerechnet. Nachdem Frankreich im Juni vorgezogene Parlamentswahlen abgehalten hatte, ernannte Präsident Emmanuel Macron den ehemaligen EU-Kommissar Barnier zum Regierungschef. Barnier formte eine Mitte-Rechts-Regierung, die allerdings in der Nationalversammlung keine absolute Mehrheit besitzt. Somit könnte die Regierung gleich nach der Verkündung ihrer politischen Vision einem Misstrauensantrag gegenüberstehen – sowohl von der linken als auch der rechten Opposition. Obwohl die Regierung aus Politikern des Mitte-Lagers von Macron und Konservativen besteht, regnet es heftige Kritik von der Opposition. Ohne absolute Mehrheit ist die Unterstützung des Rassemblement National (RN) um Marine Le Pen im Unterhaus essenziell für das Funktionieren der Regierung. Barnier, 73, kündigte zu seiner Ernennung eine politische Neuausrichtung Frankreichs an. Seine zukünftige Politik würde sich auf die Verbesserung des Lebensstandards der Franzosen und der öffentlichen Dienste wie Schulen und Gesundheitswesen konzentrieren. Weitere Schwerpunkte sind mehr innere Sicherheit, eine strengere Kontrolle der Einwanderung und die Förderung der Integration, sowie die Unterstützung von Unternehmen und Landwirten zur Steigerung der wirtschaftlichen Attraktivität Frankreichs. Eine der größten Herausforderungen für Barnier wird es sein, einen Haushalt für das kommende Jahr aufzustellen. Angesichts der hohen Staatsverschuldung steht Frankreich unter massivem Druck, einen rigorosen Sparkurs einzuschlagen. Der neue Haushaltsminister bezeichnete die finanzielle Lage als besorgniserregend. Die EU-Kommission hat aufgrund der hohen Neuverschuldung ein Defizitverfahren gegen Frankreich eingeleitet. Die Diskussion über mögliche Steuererhöhungen hat bereits begonnen und könnte für weiteren Streit sorgen. Zusätzlicher Druck lastet auf Barnier in Bezug auf die unpopuläre Rentenreform von Präsident Macron. Diese hatte Macron im vergangenen Jahr ohne parlamentarische Abstimmung durchgesetzt. Die Rentenreform ist auch ein zentraler Punkt der heutigen Demonstrationen in Frankreich.