Mit einem Hauch von Dramaturgie wird in Österreich das Treffen zwischen Bundespräsident Alexander Van der Bellen und dem FPÖ-Chef Herbert Kickl verfolgt. Das heutige Treffen lässt die Vermutung aufkommen, dass Van der Bellen den Rechtspopulisten mit der Regierungsbildung betreuen könnte, nachdem seine favorisierte Dreier-Koalition aus ÖVP, SPÖ und Neos spektakulär gescheitert ist.
Herbert Kickl, ähnlich ungreifbar wie ein mysteriöser Held in einem Drama, gibt sich hinsichtlich der Zukunftsprognosen ausweichend. Via Facebook postuliert er, dass zwar einiges nun klarer sei, jedoch manches nach wie vor im Ungewissen liege. In einem meisterhaften Schachzug weist er die Verantwortung für politische Turbulenzen und den immensen Vertrauensverlust von sich.
Obwohl die FPÖ die Parlamentswahl klar für sich entscheiden konnte, war sie zunächst auf der politischen Bühne ignoriert worden. Nun scheint ein politisches Umdenken bei der ÖVP stattzufinden, die sich erstmals gesprächsbereit zeigt, in Koalitionsgesprächen mit der FPÖ zu verharren. Solange die Diskrepanzen in der EU- und Außenpolitik nicht zu Stolpersteinen werden, könnte dies den Weg zum ersten FPÖ-Bundeskanzler ebnen – ein konsequenter Zug von Kickl, der sich als "Volkskanzler" positionierte.
Der unverblümte Ton von Kathrin Stainer-Hämmerle spiegelt wider, dass bei einer etwaigen Koalition eine Übereinkunft in Wirtschafts- und Asylpolitik erzielt werden könnte. Demgegenüber bleiben die Vorstellungen zur Bewältigung der Budgetkrise nebulös, worüber Christoph Badelt seine Zweifel anführte.
Im Zuge der vergangenen Ereignisse hat Kanzler Karl Nehammer seinen Rücktritt herausposaunt, gefolgt von Christian Stocker als interimistischer Parteichef der ÖVP. Stocker, einst ein scharfer Kritiker Kickls, könnte zu einem spannenden Mitspieler in diesem politischen Theater avancieren.
Die Entwicklungen markieren auch einen subtilen Schlag für Van der Bellen, dessen Präferenz für eine Koalition ohne die FPÖ nun in den Hintergrund tritt. Doch in seiner Rolle als Hüter der Demokratie versichert er nachdrücklich, die demokratischen Grundwerte hochzuhalten, während das Land nach Stabilität strebt.