In einem beispiellosen Schritt hat Bundesverkehrsminister Volker Wissing die FDP verlassen, um Protest gegen den Kurs seiner ehemaligen Partei innerhalb der Ampel-Koalition zu signalisieren und dennoch bis zu den geplanten Neuwahlen im Amt zu verbleiben. Seine Entscheidung kommt nach einem brisanten Richtungsstreit mit schwerwiegenden Konsequenzen für die Regierungskoalition. Wissing übernimmt in der Minderheitsregierung von Kanzler Olaf Scholz zudem das Justizressort und betont, dass seine Entscheidung nicht gegen die Grundwerte der FDP gerichtet sei.
Derweil hat Agrarminister Cem Özdemir von den Grünen zusätzlich das Bildungsministerium übernommen, um die Führungsaufgaben der ausgeschiedenen FDP-Minister zu kompensieren. Der wirtschaftspolitische Berater Jörg Kukies wird zum neuen Bundesfinanzminister ernannt und folgt damit dem scheidenden Christian Lindner nach. FDP-Fraktionschef Christian Dürr hatte zuvor den kollektiven Rücktritt der FDP-Minister angekündigt, was das Ausmaß der politischen Umbrüche unterstreicht.
Während Wissing nun als parteiloser Minister agiert, haben seine Staatssekretärin Daniela Kluckert und Staatssekretäre ihren Rückzug erklärt, da sie nicht mehr in Wissings Regierung verbleiben wollen. Dieser hatte sich noch Anfang November für einen Verbleib der FDP in der Koalition ausgesprochen – ein Widerspruch, der nun seine Flügel kosten könnte. Der Minister konzentriert sich nun auf dringende Aufgaben wie die Sanierung des Bahnnetzes und die Fortschritte im Bereich Nahverkehr.
Die politische Unsicherheit verdeutlicht erneut die Spannungen innerhalb der Ampelkoalition, insbesondere in Bezug auf die Aussetzung der Schuldenbremse für Ukraine-Hilfen. Wissing betont die Bedeutung von Kompromissbereitschaft, um in einem herausfordernden Umfeld politische Erfolge zu erzielen.
Die Reaktion von Ulrich Lange von der Union spiegelt die Kritik wider, die Wissing entgegenschlägt. Der Vize-Fraktionschef kritisierte die bisherigen Leistungen des Ministers scharf, insbesondere im Verkehrs- und Digitalisierungsbereich. In einem historischen Kontext erinnert Wissings Entscheidung an die Abspaltung der sogenannten Euler-Gruppe von 1956, bei der amtierende FDP-Minister ebenfalls ihre Partei verließen, um in der Regierung zu verbleiben.