Die jüngsten Entwicklungen in Syrien haben für einige Überraschungen gesorgt. Die Islamisten-Allianz Haiat Tahrir al-Scham (HTS) hat während ihrer neuesten Offensive, laut Fawaz Gerges, Nahost-Experte und Professor an der London School of Economics, eine beachtliche "Reife" an den Tag gelegt. Der damit einhergehende Machtwechsel in Damaskus markiert einen bedeutenden Rückschlag für Iran und Russland, die als geopolitische Rivalen der USA gelten.
Dieser Umsturz soll jedoch nicht missinterpretiert werden, denn laut Gerges ist es nicht im Interesse der USA, dass Syrien in Hände einer salafistisch-islamistischen Bewegung fällt. Der politische Wandel hält nun unterschiedliche Szenarien bereit: Ein Szenario sieht die Möglichkeit von sozialen und religiösen Unruhen vor, ähnlich der Lage in Libyen und im Jemen.
Gleichzeitig eröffnet der Machtwechsel die Chance auf eine "Heilung" nach jahrzehntelanger autokratischer Herrschaft, wenngleich diese Zeit in Anspruch nehmen wird. Hoffnung gibt die bisherige Vorgehensweise der islamistischen Opposition, die es vermieden hat, öffentliche Einrichtungen zu zerstören, und sich darum bemüht, alle Bevölkerungsschichten Syriens einzubeziehen.
Die Offensive der HTS, die am 27. November den Bürgerkrieg, der 2011 seinen Anfang nahm, erneut entfachte, führte innerhalb kurzer Zeit zur Einnahme mehrerer strategischer Orte, wie Aleppo und Hama. Am vergangenen Sonntag gelang den Aufständischen schließlich der Vorstoß in die Hauptstadt Damaskus, woraufhin sie die Stadt von der Herrschaft Baschar al-Assads befreit erklärten, der seit dem Jahr 2000 an der Macht war.