06. Oktober, 2024

Politik

Politik-Puzzle in Frankreich: Links-Bündnis gewinnt überraschend

Politik-Puzzle in Frankreich: Links-Bündnis gewinnt überraschend

Der Ausgang der französischen Parlamentswahl hat die Erwartungen der ersten Wahlrunde auf den Kopf gestellt: Das linke Lager erzielt ein überraschendes Ergebnis, während die rechtsnationale Partei Rassemblement National (RN) trotz Zugewinnen nicht genug Unterstützung für eine eigene Regierungsbildung erhält. Präsident Emmanuel Macrons Mitte-Lager landet vor dem RN auf dem zweiten Platz.

Wie sieht die Zukunft der zweitgrößten Volkswirtschaft in der Eurozone nun aus? Expertenstimmen zur Lage in Frankreich:

Bruno Cavalier, Chefvolkswirt bei ODDO BHF, stellt klar, dass sich der politische Schwerpunkt nach links verschoben hat. Steuererhöhungen und eine gleichgültige Haltung zur Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen prägen nun das Bild. Dies steht im starken Kontrast zu Macrons Wirtschaftspolitik der letzten sieben Jahre. Cavalier sieht erhöhte Risiken für Staatsanleihen und prognostiziert mögliche Verzögerungen im Haushaltsprozess.

Peter Goves, Leiter des Staatsschulden-Research bei MFS Investment Management, warnt vor einer politischen Unberechenbarkeit. Die Ungewissheit nimmt zu, mit einer geteilten Nationalversammlung sind verschiedene Szenarien möglich, darunter auch eine Regenbogenkoalition oder eine geschäftsführende Regierung, was zumindest die Märkte beruhigen könnte.

Berndt Fernow und Jens-Oliver Niklasch von der LBBW sehen immense Herausforderungen für das Linksbündnis, vor allem im Hinblick auf Rentenreformen und Stärkung der Massenkaufkraft. Eine Vereinbarkeit mit der EU-geforderten Haushaltsdisziplin erscheint schwer. Für die Liberalen steht jedoch fest, dass Steuererhöhungen keine Option sind.

Das Research-Team der Dekabank erkennt in einer stabilen Regierung eine Utopie. Themen wie Haushaltskonsolidierung und Wirtschaftsreformen dürften auf der Prioritätenliste nach hinten rutschen. Eine breite Koalition aus Macrons Allianz, Teilen der Linken und Republikanern wäre aus Marktsicht das beste Szenario, während eine linke Minderheitsregierung als Negativszenario gilt.

Thomas Gitzel, Chefvolkswirt der VP Bank, merkt an, dass die Regierungsbildung äußerst schwierig wird, da kein Lager die absolute Mehrheit erreicht hat. Eine Regierung unter Jean-Luc Mélenchon, einem bekennenden EU-Gegner, würde die Union destabilisieren, insbesondere durch die Absage an dringend notwendige Haushaltskonsolidierungen.

Andrzej Szczepaniak, Volkswirt bei Nomura, hält es für unwahrscheinlich, dass die Neue Volksfront regieren wird. Ein technokratischer Premierminister der politischen Mitte sei wahrscheinlicher.

Stephen Dover vom Franklin Templeton Institute hebt die mittelfristigen Herausforderungen hervor: Haushaltskonsolidierung, Sozialvertragsstabilität und Produktivitätssteigerungen. Eine erzwungene Mehrheit, die extreme Rechte fernzuhalten, dürfte kaum das politische Kapital für langfristige Lösungen besitzen.