16. Oktober, 2024

Wirtschaft

Pirelli überrascht mit Investitionen in Deutschland – trotz globalem Kostenwettbewerb

Während viele Reifenhersteller ihre Werke in Deutschland schließen, geht Pirelli einen anderen Weg: Der italienische Konzern investiert kräftig in seine Fabrik im Odenwald. Eine Strategie, die sich am Premium-Markt orientiert und auf Nachhaltigkeit setzt.

Pirelli überrascht mit Investitionen in Deutschland – trotz globalem Kostenwettbewerb
Pirelli strebt bis 2030 CO₂-Neutralität an und plant, alle seine europäischen Werke mit FSC-zertifiziertem Naturkautschuk zu versorgen. Zusätzlich soll der Anteil an recycelten Materialien in Premiumreifen auf 80 % steigen.

In einer Zeit, in der immer mehr Unternehmen ihre Produktion ins Ausland verlagern, überrascht Pirelli mit einem klaren Bekenntnis zum Standort Deutschland.

Während Konkurrenten wie Continental, Goodyear und Michelin Werke in Deutschland schließen, investiert der italienische Reifenhersteller 25 Millionen Euro in seine Fabrik in Breuberg im Odenwald. Damit setzt Pirelli auf Modernisierung, um den Standort wettbewerbsfähig zu halten und zugleich die CO₂-Bilanz zu verbessern.

Wolfgang Meier, Chef von Pirelli Deutschland, erklärt diese Strategie mit einem klaren Fokus:

„Unser Ziel ist es, die Produktion durch Innovation und Technologie zu stärken.“

Mit den Investitionen soll der Energiebedarf der Produktionsanlagen bis 2026 um 80 % gesenkt werden, was auch im Hinblick auf die Nachhaltigkeitsziele des Unternehmens von entscheidender Bedeutung ist.

Quelle: Eulerpool

Gegen den Strom: Warum Pirelli in Deutschland bleibt

Während Unternehmen wie Continental den Standort Deutschland für zu teuer halten, sieht Pirelli darin einen strategischen Vorteil. Meier argumentiert, dass die höheren Personalkosten in Deutschland schon immer eine Herausforderung waren, der sich das Unternehmen erfolgreich stellt.

Der Unterschied liege im Produkt: „Wir fokussieren uns auf die Premium- und Prestige-Segmente“, erklärt Meier. Diese Reifen sind speziell auf Luxusautomodelle wie Porsche, Ferrari und BMW zugeschnitten – ein stabiler Markt, der bereit ist, für Qualität und Innovation zu zahlen.

Während andere Reifenhersteller in Deutschland Werke schließen, setzt Pirelli auf die Produktion von Premium- und Prestigereifen für Luxusmarken wie Ferrari und Porsche.

Anders als bei billigen Massenreifen, bei denen der Wettbewerb hart ist und asiatische Hersteller den Markt dominieren, setzt Pirelli auf maßgeschneiderte Lösungen für exklusive Fahrzeugmodelle. Schon lange bevor diese Autos auf den Markt kommen, entwickeln die Ingenieure im Odenwald die exakt passenden Reifen.

Mithilfe eines hochmodernen Simulators testen sie die Reifen virtuell, noch bevor sie physisch produziert werden. Das spart 30 % an Zeit und Kosten und sichert den Zugang zu den lukrativsten Märkten.

Nachhaltigkeit als strategischer Vorteil

Ein weiterer wesentlicher Bestandteil von Pirellis Strategie ist die Nachhaltigkeit. Bis 2030 will das Unternehmen CO₂-neutral produzieren, und schon 2026 soll der gesamte in Europa verwendete Naturkautschuk FSC-zertifiziert sein.

Quelle: Eulerpool

Zudem werden die Produktionsanlagen auf elektrische Heizpressen umgestellt, die mit Strom aus erneuerbaren Quellen betrieben werden. Dies reduziert nicht nur den Energieverbrauch, sondern entspricht auch den strengen Vorgaben des neuen EU-Lieferkettengesetzes.

Diese Transformation ist notwendig, um die wachsenden Ansprüche der Automobilhersteller zu erfüllen. Unternehmen wie Mercedes und BMW setzen zunehmend auf nachhaltige Zulieferketten und umweltfreundliche Produktion – ein Bereich, in dem Pirelli eine Vorreiterrolle einnehmen will.

„Unser Ziel ist es, den Anteil an recycelten und biobasierten Materialien in unseren besten Produkten bis 2030 auf über 80 % zu erhöhen“, betont Meier.

Pirelli wächst trotz stagnierendem Markt

Während der globale Reifenmarkt in diesem Jahr stagnieren wird, erwartet Pirelli dennoch ein Umsatzwachstum und eine Verbesserung der Gewinnmarge auf 15,5 %. Die Fokussierung auf Premiumprodukte zahlt sich aus.

Trotz des globalen Kostendrucks investiert Pirelli 25 Millionen Euro in die Modernisierung seines Werks in Breuberg. Die Produktionsanlagen sollen bis 2026 um 80 % energieeffizienter werden.

Analysten der UBS trauen dem Unternehmen bis 2030 sogar einen globalen Marktanteil von 10 % zu, verglichen mit den derzeitigen 7 %. Besonders im Premium-Segment ist Pirelli bestens aufgestellt und profitiert von der engen Zusammenarbeit mit Automobilherstellern.

Die Fertigung in Breuberg zeigt, dass auch in einem Hochkostenland wie Deutschland konkurrenzfähige Produktion möglich ist, solange die richtige Nische bedient wird. Pirellis Fokus auf hochwertige und maßgeschneiderte Produkte sichert dem Standort seine Zukunft. „Technologie hat ihren Preis, aber sie schafft auch Mehrwert für unsere Kunden“, erklärt Meier.


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Innovation trifft Tradition

Trotz der Modernisierung bleibt die Fabrik in Breuberg ein Ort der Tradition. Seit über 120 Jahren werden hier Reifen hergestellt, und viele der Produktionswege sind über die Jahre gewachsen. In der Werkshalle, die nach Gummi riecht, ist die Arbeit noch immer physisch anspruchsvoll, und moderne Robotertechnik hält nur langsam Einzug.

Doch Pirelli setzt gezielt auf einen Mix aus Handwerkskunst und Hightech. „Es ist wie Kuchen backen“, scherzen die Ingenieure. Jede Zutat, jede Temperatur und jede Zeitspanne beeinflusst das Ergebnis – Betriebsgeheimnisse, die Pirelli zu einem führenden Anbieter im Premiumsegment machen.