18. Oktober, 2024

Politik

Pharmabranchen-Gipfel im Kanzleramt: Lauterbachs Revolution für Deutschlands Gesundheitswirtschaft

Milliardeneinnahmen und Wachstumspotenziale: Die ambitionierte Strategie zur Rettung des Pharmastandorts Deutschland.

Pharmabranchen-Gipfel im Kanzleramt: Lauterbachs Revolution für Deutschlands Gesundheitswirtschaft
Revolution oder Risiko: Lauterbachs Pharmastrategie spaltet die Gemüter der deutschen Wirtschaft

Berlin. Wenn am Donnerstag Deutschlands Pharmagrößen im Kanzleramt zu einem vertraulichen Spitzengespräch zusammenkommen, sind die Erwartungen der Branche gewaltig. Seit Wochen wird das Treffen vorbereitet. Im Zentrum steht eine Pharmastrategie.

Beteiligt sind neben dem Kanzleramt das Wirtschafts- und Gesundheitsministerium. Ob die Strategie am Donnerstag bereits vorgestellt wird, ist noch offen. Im Kern will die Regierung den Zugang zu Gesundheitsdaten erleichtern, bürokratische Hürden abbauen und für bessere Forschungsbedingungen sorgen.

Die Branche hat große Erwartung an Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach.

Deutschland ist in diesen Bereichen im internationalen Vergleich so rückständig, dass Verbesserungen einen gewaltigen volkswirtschaftlichen Schub auslösen könnten.

Das zumindest geht aus einer Studie der Wirtschafts- und Forschungsinstitute Iges und Wifor im Auftrag des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI) hervor, die am Dienstag vorgestellt wurde.

Die Experten haben dafür den Einfluss der drei wichtigsten Faktoren – Digitalisierung, Innovationsförderung und Fachkräfte – auf die gesamte Gesundheitswirtschaft bis ins Jahr 2030 analysiert. Zur Gesundheitswirtschaft gehören neben der Pharmabranche auch Unternehmen aus dem Bereich Medizintechnik, Biotech sowie Digital Health.

Einen gewaltigen Schub würde es schon auslösen, wenn Deutschland bei der Digitalisierung schneller Fortschritte erzielt als bislang.

Bis 2030 würde sich die Bruttowertschöpfung so von aktuell 103 Milliarden jährlich um acht Milliarden Euro pro Jahr erhöhen, heißt es in der Studie. Insgesamt ließe sich die Wertschöpfung im Vergleich zum Status quo bis 2030 um 30,5 Milliarden Euro steigern.

Einen ähnlich großen Effekt hätten höhere Forschungsinvestitionen, durch die sich die Bruttowertschöpfung im Optimalfall um fünf Milliarden Euro jährlich bis 2030 steigern ließe und insgesamt um 29 Milliarden Euro.

Ohne diese Investitionen wiederum könnten Unternehmen den Anschluss an neue Technologien verlieren, schreiben die Autorinnen und Autoren. Dies könne eine „Kettenreaktion und eine schrittweise Deindustrialisierung der Gesundheitswirtschaft in Deutschland auslösen“.

Eine „Wachstumsbremse“ ist wiederum der Fachkräftemangel. Bis 2030 könnten bis zu 320.000 Arbeitskräfte fehlen, was einen Verlust von 26,6 Milliarden Euro zur Folge hätte.

Insbesondere Pharmafirmen hatten zuletzt verstärkt damit gedroht, aus Deutschland abzuwandern. Gleichzeitig gibt es aber auch Lichtblicke.

Der US-Konzern Eli Lilly etwa kündigte Mitte November an, 2,3 Milliarden Euro in eine neue Produktionsstätte für Medikamente in Rheinland-Pfalz zu investieren. Es entstehen bis zu 1000 neue Arbeitsplätze.

„Die Abgesänge auf den Pharmastandort Deutschland sind falsch“, frohlockte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach im Beisein von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne).

Im Vergleich zu anderen Ländern wie Frankreich, USA und Japan machen die Autoren die Digitalisierung der Gesundheitswirtschaft sowie den Zugang zu Gesundheitsdaten als zentrale Faktoren für die Attraktivität eines Landes aus.

„Deutschland muss nachlegen, damit wir uns im internationalen Standortwettbewerb behaupten“, sagte Iris Plöger, Mitglied der BDI-Hauptgeschäftsführung.

Gesundheitsminister Lauterbach will die Probleme mit gleich mehreren Digitalgesetzen angehen, an denen er gerade gleichzeitig arbeitet und die teilweise auch in der Pharmastrategie aufgegriffen werden dürften. Zum einen will Lauterbach mit dem Medizinforschungsgesetz alle Prozesse für klinische Studien vereinfachen und bürokratische Hürden abbauen, die sich je nach Bundesland durch die zahlreichen Datenschutzbehörden und Ethikkommissionen unterscheiden können.

Mit dem Gesundheitsdatennutzungsgesetz will Lauterbach zudem erreichen, dass Wissenschaftler und Pharmaunternehmen besser auf Gesundheitsdaten zugreifen können, um damit neue Therapien oder Medikamente zu erforschen. Schließlich soll ab 2025 die elektronische Patientenakte für alle verpflichtend werden, die nicht widersprechen. In ihr sollen alle medizinischen Daten wie Röntgenbilder, Medikamentenpläne und Arztbriefe abgelegt werden können.