22. November, 2024

Finanzen

Entlastung für die Mitte? Was der SPD-Steuervorschlag wirklich bedeutet

Die SPD plant, 95 % der Steuerzahler zu entlasten und die reichsten 1 % stärker zu belasten. Doch Experten zweifeln, ob dies wirklich eine spürbare Entlastung bringt – oder ob die Steuerlast für Spitzenverdiener drastisch steigen muss.

Entlastung für die Mitte? Was der SPD-Steuervorschlag wirklich bedeutet
Der SPD-Vorschlag zur Steuerentlastung setzt auf höhere Steuern für das reichste 1 % – Experten warnen jedoch, dass dies kaum ausreicht, um die Mitte spürbar zu entlasten.

Mit einer Bundestagswahl in Sicht rückt das Thema Steuern wieder in den Fokus der politischen Debatte. Die SPD kündigt an, die „arbeitende Mitte“ entlasten zu wollen, und plant, dafür die „höchsten ein Prozent der Einkommen“ stärker zu besteuern.

Das klingt nach einem populären Wahlkampfversprechen, doch was bedeutet es in der Realität? Experten sind skeptisch, ob der Plan der Sozialdemokraten wirklich eine spürbare Entlastung für die Mehrheit der Steuerzahler bringen kann. Die Rechnung ist komplizierter, als es auf den ersten Blick scheint.

Das Konzept der SPD: Entlastung unten, Belastung oben

Die Grundidee der SPD ist einfach: Die Mehrheit der Steuerzahler, etwa 95 %, soll entlastet werden. Dafür soll das reichste Prozent stärker zur Kasse gebeten werden.

Der Spitzensteuersatz soll später greifen, und der Reichensteuersatz, der aktuell bei 45 % liegt, könnte auf 48 % angehoben werden. Doch genau hier beginnt das Problem: Reichen diese Maßnahmen aus, um eine echte Entlastung für die Mitte zu finanzieren?

Martin Beznoska, Steuerexperte vom Institut der deutschen Wirtschaft (IW), hat Zweifel.

„Das Problem des SPD-Steuerkonzepts ist, dass die Mehreinnahmen von oben viel zu gering sind, um eine spürbare Entlastung für die breite Masse zu ermöglichen“, erklärt er.

Selbst mit höheren Steuersätzen für Spitzenverdiener würde die Entlastung für die unteren 95 % der Steuerzahler lediglich etwa sieben Milliarden Euro betragen – ein Tropfen auf den heißen Stein.

Die aktuelle Steuerprogression belastet mittlere Einkommen besonders stark – CDU und SPD setzen unterschiedliche Schwerpunkte bei der Reform, doch beide Ansätze stoßen auf finanzielle Grenzen.

Spitzensteuersätze von über 50 %?

Um eine nennenswerte Steuerentlastung zu finanzieren, müssten die Steuersätze für Spitzenverdiener drastisch steigen. Beznoska rechnet vor, dass der Spitzensteuersatz auf 52 % und der Reichensteuersatz auf 55 % angehoben werden müsste, um eine Entlastung von etwa 30 Milliarden Euro zu finanzieren. Doch solche hohen Steuersätze wären aus Sicht vieler Experten problematisch.

„Spitzensteuersätze von über 50 % sind unrealistisch“, meint Stefan Bach, Steuerexperte vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW).

Er verweist darauf, dass in den 1990er-Jahren zwar ähnliche Steuersätze existierten, doch damals hatten die Steuerzahler viel mehr Möglichkeiten zur Steuergestaltung. Diese Schlupflöcher wurden unter der rot-grünen Bundesregierung jedoch weitgehend geschlossen.

Bach sieht auch das Risiko, dass höhere Steuersätze zu Ausweichreaktionen führen könnten. Spitzenverdiener, die oft gut steuerlich beraten sind, könnten versuchen, ihr Einkommen anders zu versteuern oder ins Ausland zu verlagern. Das Ergebnis: Trotz höherer Steuersätze würden die erhofften Mehreinnahmen ausbleiben.

Der „Mittelstandsbauch“ und die CDU-Pläne

Während die SPD auf höhere Steuersätze für Spitzenverdiener setzt, plant die CDU einen anderen Ansatz. Die Union hat angekündigt, den sogenannten „Mittelstandsbauch“ im Steuertarif abflachen zu wollen. Dieser Begriff beschreibt die Steuerprogression, die dazu führt, dass mittlere Einkommen überproportional belastet werden.


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Das Reformkonzept, das die CDU im Januar vorstellen will, orientiert sich am Vorschlag des Steuerzahlerbundes. Dieser sieht vor, dass der Spitzensteuersatz von 42 % erst ab einem Einkommen von 100.000 Euro greift. Für Einkommen über einer Million Euro soll eine neue Tarifstufe mit einem Grenzsteuersatz von 48 % eingeführt werden. Das Ziel: Eine spürbare Entlastung der mittleren Einkommen.

Doch auch dieses Konzept hat seine Tücken. „Der Höchstsatz von 48 % reicht nicht aus, um die Entlastung bei den unteren und mittleren Einkommen zu finanzieren“, räumt Carsten Linnemann, CDU-Generalsekretär, ein.

Laut Berechnungen des Steuerzahlerbundes würde die Umsetzung des Modells zu Mindereinnahmen von rund 38 Milliarden Euro führen – dieses Geld müsste an anderer Stelle eingespart werden.

Steuerreform bleibt kompliziert

Ob SPD oder CDU – beide Parteien stehen vor der Herausforderung, eine sinnvolle Steuerreform zu präsentieren, die einerseits Entlastung für die breite Masse bringt, andererseits aber finanzierbar bleibt.

Spitzensteuersätze von über 50 % scheinen nicht der richtige Weg zu sein, doch auch die Entlastung der mittleren Einkommen erfordert deutliche Einschnitte bei den Einnahmen. Die kommenden Monate werden zeigen, welche Partei das überzeugendere Konzept vorlegt – und ob die Entlastung der arbeitenden Mitte wirklich realisierbar ist.