Zölle sind in der Regel schlecht für den Handel – aber manchmal eben auch selektiv. Während der jüngste protektionistische Rundumschlag aus Washington große Teile der europäischen Industrie verunsichert, darf sich ein Sektor über unerwartete Schonung freuen: die Pharmaindustrie.
Medikamente und Wirkstoffe wurden von den neuen US-Zöllen zunächst ausgenommen. Die Aktienkurse reagierten prompt – allerdings nicht einheitlich.
Pharma kann aufatmen – vorerst
Ein internes Schreiben aus dem Weißen Haus, auf das sich mehrere US-Medien berufen, bestätigt: Medikamente bleiben bis auf Weiteres von den neuen Importzöllen verschont.
Für europäische Pharmahersteller ist das ein entscheidender Punkt, denn viele erzielen zwischen 40 und 60 Prozent ihres Umsatzes in den Vereinigten Staaten. Entsprechend erleichtert fiel die Reaktion an den Börsen aus.
Sanofi, Bayer, Novartis und AstraZeneca legten leicht zu – zwischen 0,6 und 1,8 Prozent. Auch Merck konnte sich dem allgemeinen Trend entziehen, gab jedoch leicht nach. EVOTEC blieb unterdurchschnittlich, verlor 0,76 %. Analyst Florent Cespedes von Bernstein Research sprach von einer „temporären Entspannung“, warnte aber gleichzeitig:
„Die Zollfreiheit gilt bislang nur für Endprodukte. Verpackungen, chemische Vorprodukte und Labormaterialien könnten bald betroffen sein.“
Roche fällt aus der Reihe
Während der Pharmasektor insgesamt stabil blieb, fiel ein Unternehmen aus dem Rahmen: Roche. Die Aktie verlor über zwei Prozent – allerdings nicht wegen Trump, sondern wegen enttäuschender Studiendaten beim Multiple-Sklerose-Medikament Ocrevus.

Ein Rückschlag, der das Vertrauen der Investoren in das forschungsintensive Geschäftsmodell vorübergehend erschütterte. Der Fall zeigt: Politische Nachrichten überlagern nicht immer die Fundamentaldaten – vor allem nicht im Biotech-Bereich.
Medizintechnik: Siemens Healthineers stürzt ab
Anders sieht es in der Medizintechnik aus. Hier schlugen Trumps Zollpläne voll durch – insbesondere auf Unternehmen, die stark vom transatlantischen Austausch leben. Siemens Healthineers verlor am Donnerstag fast fünf Prozent und rutschte damit auf den niedrigsten Kurs seit November 2024.
Analyst Giang Nguyen von der Citigroup warnte: „Gerätehersteller wie Healthineers oder Philips hängen stärker an komplexen, globalen Lieferketten – und sind dadurch anfälliger.“
Im Gegensatz zur Pharmaindustrie, die oft lokal produziert oder über robuste Margen verfügt, sind Medizintechnikhersteller stärker auf reibungslose Logistik und stabile Komponentenpreise angewiesen.
Zölle auf Glas, Kunststoff, Elektronikbauteile oder Maschinenmodule könnten empfindlich durchschlagen – gerade bei margenarmen Produkten.
Trump riskiert eine medizinische Kettenreaktion
Die kurzfristige Marktreaktion ist nur der Auftakt. Denn sollte die US-Regierung auch für den Gesundheitssektor nachlegen, dürfte der mediale und wirtschaftliche Widerstand wachsen – in Europa ebenso wie bei US-Krankenhäusern, die auf europäische Diagnostik und Medizingeräte angewiesen sind.
Schon jetzt schlagen Verbände in den USA Alarm: Höhere Importkosten könnten sich unmittelbar in den Behandlungskosten niederschlagen.
Hinzu kommt: Sollte China als Reaktion auf die US-Zölle seinerseits kritische Vorprodukte für die Pharmabranche – etwa Wirkstoffzwischenstufen oder seltene Chemikalien – zurückhalten oder verteuern, könnte sich der Effekt rasch potenzieren.
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