Es ist ein harter Schlag für den deutschen Luftverkehr: Ryanair zieht sich nach und nach aus Deutschland zurück. Die Billigfluglinie, die für ihre unschlagbar günstigen Ticketpreise bekannt ist, reduziert ihr Angebot drastisch – besonders in Hamburg, Dortmund, Leipzig und Dresden.
Der CEO der Airline, Eddie Wilson, begründet diesen Schritt mit den hohen Standortkosten, die den Betrieb unrentabel machen. Die Ankündigung der massiven Kürzungen bedeutet nicht nur den Verlust von Hunderttausenden Passagiersitzen, sondern auch einen deutlichen Anstieg der Ticketpreise.
Am härtesten trifft es Hamburg: 60 Prozent der Verbindungen, das entspricht rund 400.000 Passagieren, werden ab dem kommenden Sommer gestrichen. Noch schwerwiegender ist die Lage in Dortmund, Leipzig und Dresden, wo Ryanair seine Flüge komplett einstellt.
Die Entscheidung kommt zu einer Zeit, in der der Luftverkehr nach der Corona-Krise langsam wieder an Fahrt gewinnt – doch Deutschland hinkt im europäischen Vergleich hinterher.
„Es kostet einfach zu viel, hier zu operieren“, so Wilson.
Kostenexplosion an deutschen Flughäfen
Wilson kritisiert vor allem die hohen Standort- und Flughafenkosten in Deutschland. „Wir verdienen pro Passagier im Schnitt zehn Euro“, erklärt er. „Aber wenn ein Flughafen schon 15 Euro verlangt, nur weil jemand durch einen Metalldetektor läuft, dann wird unser Geschäftsmodell unmöglich.“
Besonders ins Visier nimmt er die Luftverkehrssteuer, die in Deutschland in diesem Jahr um 24 Prozent erhöht wurde – ein Punkt, der Ryanair besonders sauer aufstößt.
Zum Vergleich: Während in Ländern wie Spanien, Polen oder Italien überhaupt keine Flugabgaben existieren, hat Deutschland die höchsten Abgaben in Europa. Das Resultat: In diesen Ländern liegt der Flugverkehr längst über dem Niveau vor der Pandemie, während er in Deutschland noch immer bei 82 Prozent des Vorkrisenstandes stagniert.
Der Rückzug Ryanairs bedeutet einen Verlust von 1,8 Millionen Sitzen, was einer Reduzierung von 12 Prozent der Kapazität entspricht. Viele Strecken werden künftig seltener oder gar nicht mehr bedient, darunter beliebte Reiseziele wie Mailand, Malaga und Valencia.
Steigende Ticketpreise als direkte Folge
Die praktisch unvermeidbare Folge der Streichungen: steigende Ticketpreise. Ryanair und Easyjet, zwei der größten Low-Cost-Anbieter, haben ihre Verbindungen in Deutschland massiv gekürzt, wodurch der Wettbewerb abnimmt. „Wenn die Nachfrage konstant bleibt, aber das Angebot sinkt, wird es zwangsläufig teurer“, erklärt Wilson.
Hinzu kommt, dass die Flughafenkosten durch die geringere Passagierzahl steigen – diese werden wiederum auf die verbleibenden Fluggäste umgelegt. „Ein Teufelskreis“, so Wilson, „der nur noch höhere Preise zur Folge hat.“ Während Ryanair weiterhin die günstigsten Tickets auf dem Markt anbieten will, wird der allgemeine Preisanstieg den Low-Cost-Sektor stark beeinflussen.
Verfehlte Standortpolitik und fehlender Wettbewerb
Für Ryanair-CEO Eddie Wilson steht fest: Die deutsche Regierung begünstigt die heimische Lufthansa mit ihren Drehkreuzen in Frankfurt und München, während andere Flughäfen benachteiligt werden.
„Hamburg wird behandelt wie ein Provinzflughafen“, schimpft er.
Dabei sieht er in der Stadt großes Potenzial. „Es gibt keinen Grund, warum Ryanair hier nicht neun oder zehn Millionen Passagiere transportieren könnte“, sagt er – doch die politischen Rahmenbedingungen stünden dem im Weg.
Auch die deutsche Luftfahrtindustrie reagiert alarmiert. Der Flughafenverband ADV bezeichnet den Rückzug von Ryanair als „schweren Rückschlag“ für den deutschen Luftverkehrsmarkt. Ralph Beisel, Hauptgeschäftsführer des ADV, warnt davor, dass auch andere Airlines dem Beispiel von Ryanair folgen könnten, sollten die Standortkosten weiterhin so hoch bleiben.
Wachstumspläne gestrichen
Vor nicht allzu langer Zeit hatte Ryanair große Pläne für den deutschen Markt: Bis Ende des Jahrzehnts wollte die Airline 34 Millionen zusätzliche Passagiere transportieren und tausend neue Arbeitsplätze schaffen. Doch diese Vision ist jetzt auf Eis gelegt. „Es ist eine rationale Entscheidung“, sagt Wilson, der die Standortkosten in Deutschland als „irrational“ bezeichnet.
Anderswo zeigt Ryanair, dass Wachstum durchaus möglich ist, wenn die Rahmenbedingungen stimmen. In Schweden etwa hat die Regierung kürzlich die Luftverkehrssteuer abgeschafft – prompt stationierte Ryanair zwei zusätzliche Flugzeuge und erhöhte sein Angebot um 30 Prozent.
Die Zukunft des deutschen Flugverkehrs
Die Entscheidung Ryanairs wird den Wettbewerb im deutschen Luftverkehr nachhaltig verändern. Mit weniger Low-Cost-Anbietern und steigenden Kosten für Flüge wird sich die Marktstruktur verschieben. Für Passagiere bedeutet das höhere Preise und weniger Auswahl. „Die Reduzierung des Angebots von Ryanair an deutschen Flughäfen ist ein Alarmzeichen“, warnt Joachim Lang vom Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft.