Volkswagen hat die Notbremse gezogen. Nach Jahren der Kritik an seinem Werk in Xinjiang verkauft der Wolfsburger Autobauer den Standort. Doch die Entscheidung hat einen bitteren Beigeschmack: Sie kommt spät, wirkt wie ein notwendiges Zugeständnis und zeigt zugleich die Zwickmühle, in der sich VW in China befindet.
Menschenrechtsverletzungen und Druck aus dem Westen
Das Werk in Urumqi war seit Jahren ein Dorn im Auge westlicher Beobachter. Xinjiang gilt als Schauplatz massiver Menschenrechtsverletzungen gegen die muslimische Uiguren-Minderheit.
Menschenrechtsorganisationen warfen VW indirekt vor, Zwangsarbeit und Unterdrückung durch seine Präsenz in der Region zu tolerieren. Volkswagen ließ die Vorwürfe untersuchen und betonte, keine Hinweise auf Zwangsarbeit gefunden zu haben. Doch Kritiker bemängelten die mangelnde Tiefe der Untersuchung.
Jetzt ist das Kapitel Xinjiang beendet – offiziell aus wirtschaftlichen Gründen. Käufer des Werks ist das chinesische Staatsunternehmen SMVIC, das die verbliebenen 170 Mitarbeiter übernehmen soll.
Ein lange überfälliger Rückzug
„Das hätte früher passieren müssen“, urteilt Ingo Speich von Deka Investment. Aktionärsvertreter begrüßen den Schritt als wichtiges Signal, monieren aber die Verzögerung. „Menschenrechte sind nicht verhandelbar“, sagt Janne Werning von Union Investment, „aber diese Episode zeigt auch, dass VW immer wieder Schwächen in der Unternehmensführung offenbart.“
Die niedersächsische Landesregierung, als VW-Großaktionär mit 20 Prozent der Stimmrechte beteiligt, äußerte sich zufrieden. Doch der Druck aus Deutschland und dem Ausland bleibt hoch, denn die Debatte um Verantwortung in autoritären Staaten endet nicht mit dem Verkauf eines Werks.
China bleibt VW’s Schlüsselland
Während VW sich aus Xinjiang zurückzieht, zeigt die restliche China-Strategie keine Abkehr. Ganz im Gegenteil: Die Zusammenarbeit mit dem Partnerunternehmen Saic wurde jüngst bis 2040 verlängert.
Der Konzern plant, 18 neue Modelle speziell für den chinesischen Markt zu entwickeln und seinen Marktanteil bis 2030 auf 15 Prozent zu steigern.
Diese Expansion ist riskant. VW liegt auf dem wichtigen Elektroautomarkt weit hinter chinesischen Rivalen wie BYD zurück. Die Wolfsburger reagieren mit neuen E-Modellen, doch die Margen sinken im Preiskampf. Ob die Offensive ausreicht, um verlorenen Boden gutzumachen, bleibt ungewiss.
Ein Balanceakt zwischen Moral und Markt
Der Rückzug aus Xinjiang wirft eine zentrale Frage auf: Wie weit kann und sollte ein Unternehmen wie Volkswagen in autoritären Staaten agieren? Die wirtschaftliche Bedeutung Chinas für VW ist immens.
14,5 Prozent des Marktanteils entfallen auf die Volksrepublik, und kein anderes Land spült mehr Geld in die Kassen. Gleichzeitig wächst der Druck, sich moralisch korrekt zu positionieren.
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