Ein neuer Gigant in der Rüstungsindustrie
In den Schatten der globalen geopolitischen Verschiebungen hat sich ein bemerkenswertes Rennen abgezeichnet, dessen Ausgang das Kräfteverhältnis in der Rüstungsindustrie neu definieren könnte.
Im Zentrum dieses Wettlaufs steht Rheinmetall, ein deutscher Rüstungsgigant, der nun am Rand steht, ein Produktionsvolumen zu erreichen, das bisher als Domäne der Vereinigten Staaten galt: die Fertigung von Artilleriegranaten.
Vom Nachzügler zum Spitzenreiter
Vor nicht allzu langer Zeit, genauer gesagt bis zum Ausbruch des Konflikts in der Ukraine im Frühjahr 2022, spielte Rheinmetall in der Liga der Großproduzenten von Artilleriemunition eine eher untergeordnete Rolle.
Mit einer jährlichen Produktionskapazität von etwa 70.000 Granaten bewegte sich das Unternehmen weit unter dem Radar der globalen Rüstungsindustrie. Doch der Wind hat sich gedreht.
In einer bemerkenswerten Expansion der Kapazitäten könnte Rheinmetall bis Ende dieses Jahres bis zu 450.000 Artilleriegranaten produzieren und damit möglicherweise die gesamte Produktionsleistung der US-Rüstungsindustrie übertreffen.
Die Herausforderung aus den USA
Die Ankündigung des tschechischen Vizeverteidigungsministers Jan Jires auf einer Veranstaltung des Hudson Institute in Washington lässt aufhorchen. Er behauptete, Rheinmetall stelle nun mehr Granaten her als die gesamte Verteidigungsindustrie der USA.
Obwohl Rheinmetall diese Behauptung nicht mit konkreten Zahlen untermauert, schätzen Branchenbeobachter in den USA, dass dort in diesem Jahr etwa 430.000 Artilleriegranaten hergestellt werden könnten. Ein direkter Vergleich offenbart somit ein überraschendes Potenzial für einen deutschen Konzern, an die Spitze der weltweiten Artillerieproduktion zu sprinten.
Strategische Weichenstellungen
Diese Entwicklung ist nicht zuletzt dem strategischen Zug von Rheinmetall zu verdanken, der Übernahme des spanischen Munitionsherstellers Expal Ende 2022, wodurch das Unternehmen seine Kapazitäten deutlich steigern konnte.
Expal verfügte bereits über eine jährliche Produktionskapazität von bis zu 300.000 Granaten, ein Umstand, der Rheinmetall einen bedeutenden Vorsprung im globalen Rüstungswettlauf verschaffte.
Ein Paradigmenwechsel in der Militärstrategie
Im Gegensatz dazu hatte die Artillerie in der militärischen Strategie der USA über Jahrzehnte eine eher nachrangige Rolle gespielt. Die Annahme, dass moderne Technologien wie Drohnen den massenhaften Einsatz von einfacher Artillerie obsolet machen würden, wurde jedoch durch die Ereignisse in der Ukraine widerlegt. Die Notwendigkeit, die Artillerieproduktion zu steigern, steht nun sowohl in den USA als auch in Europa im Fokus.
Rheinmetall: Ein Blick in die Zukunft
Der Anstieg der Produktionszahlen in den USA auf bis zu 60.000 Stück pro Monat im September dieses Jahres, wie aus einer Studie hervorgeht, deutet darauf hin, dass die USA bemüht sind, ihre Kapazitäten signifikant zu erhöhen.
Dennoch könnte Rheinmetall, sollte das Unternehmen seine Pläne erfolgreich umsetzen, eine noch dominantere Stellung auf dem globalen Markt für Artilleriemunition einnehmen.
Rheinmetall setzt nicht nur auf Expansion durch Übernahmen, sondern investiert auch gezielt in den Ausbau bestehender und die Schaffung neuer Produktionsstätten, beispielsweise in Unterlüß und geplant in Litauen.
Mit einem Blick auf die langfristig hohe Nachfrage, insbesondere bedingt durch den anhaltenden Konflikt in der Ukraine und die Notwendigkeit, die Waffendepots in Europa aufzufüllen, positioniert sich Rheinmetall strategisch als zentraler Akteur in einem Sektor, der angesichts der geopolitischen Entwicklungen von entscheidender Bedeutung ist.
Das Rennen um die Spitzenposition in der globalen Produktion von Artilleriegranaten ist mehr als nur eine Frage der Zahlen.