19. September, 2024

Wirtschaftswoche

Paradoxon der deutschen Wirtschaft: Deutsche Industrie meldet erneutes Auftragsplus

Trotz globaler Unsicherheiten erlebt die deutsche Industrie einen überraschend starken Juli, getrieben durch umfangreiche Großaufträge und eine steigende Auslandsnachfrage.

Paradoxon der deutschen Wirtschaft: Deutsche Industrie meldet erneutes Auftragsplus
Die deutsche Industrie verzeichnet im Juli einen Auftragszuwachs von 2,9%, stark beeinflusst durch Großaufträge im Bereich des sonstigen Fahrzeugbaus, ohne die die Bestellungen tatsächlich gesunken wären.

Im Juli verzeichnete sie das zweite Auftragsplus in Folge, ein Ergebnis, das die Erwartungen von Ökonomen übertrifft und Hoffnung auf eine langsame, aber stetige Erholung weckt.

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Ein Blick auf die Zahlen

Laut dem Statistischen Bundesamt stiegen die Industrieaufträge im Juli um 2,9 Prozent gegenüber dem Vormonat, nachdem bereits im Juni ein Anstieg von 4,6 Prozent verzeichnet wurde.

Auftragseingang im Verarbeitenden Gewerbe im Juli 2024: +2,9 % zum Vormonat
Der reale (preisbereinigte) Auftragseingang im Verarbeitenden Gewerbe ist nach vorläufigen Angaben des Statistischen Bundesamtes (Destatis) im Juli 2024 gegenüber Juni 2024 saison- und kalenderbereinigt um 2,9 % gestiegen. Im weniger volatilen Dreimonatsvergleich lag der Auftragseingang von Mai 2024 bis Juli 2024 um 1,7 % höher als in den drei Monaten zuvor. Ohne die Berücksichtigung der Großaufträge war der Auftragseingang im Juli 2024 um 0,4 % niedriger als im Juni 2024 und von Mai bis Juli 2024 um 1,0 % höher als in den drei Monaten zuvor. Für Juni 2024 ergab sich nach Revision der vorläufigen Ergebnisse einen Anstieg des Auftragseingangs von 4,6 % gegenüber Mai 2024 (vorläufiger Wert: +3,9 %).

Diese Entwicklung kam überraschend, da Analysten einen Rückgang um 1,5 Prozent erwartet hatten. Der Anstieg ist vor allem auf Großaufträge zurückzuführen, ohne die die Bestellungen tatsächlich um 0,4 Prozent gesunken wären.

Bedeutende Impulse durch Großaufträge

Der signifikante Anstieg ist hauptsächlich den Großaufträgen im Bereich des sonstigen Fahrzeugbaus – einschließlich Flugzeuge, Schiffe, Züge und Militärfahrzeuge – zu verdanken, wo die Aufträge um beeindruckende 86,5 Prozent stiegen.

Diese Zuwächse zeigen, wie bedeutend solche Großprojekte für die Stabilisierung der Industrie sind, insbesondere in Zeiten, in denen kleinere Aufträge und Inlandsnachfragen tendenziell stagnieren.

Gedämpfte Aussichten trotz positiver Signale

Trotz der positiven Daten bleibt das Bundeswirtschaftsministerium vorsichtig und prognostiziert eine weiterhin verhaltene Industriekonjunktur in den kommenden Monaten. Die schwache Auslandsnachfrage und trübe Stimmungsindikatoren im verarbeitenden Gewerbe lassen keinen großen Optimismus zu.

Während die Nachfrage nach elektrischen Ausrüstungen um beeindruckende 18,6% stieg, verzeichnete der Maschinenbau einen Rückgang von 6,1%, was die branchenspezifischen Herausforderungen unterstreicht.

Das Geschäftsklima, erfasst vom Ifo-Institut, hat sich im August weiter verschlechtert, was die anhaltenden Herausforderungen für die Industrie unterstreicht.

Differenzierte Entwicklung nach Sektoren

Interessante Einblicke bieten die unterschiedlichen Entwicklungen in den einzelnen Industriezweigen: Während die Nachfrage nach elektrischen Ausrüstungen um 18,6 Prozent zulegte, kämpft der Maschinenbau mit einem Rückgang von 6,1 Prozent.

Der Automobilsektor konnte dagegen ein leichtes Wachstum von 1,6 Prozent verbuchen, was die gemischte Lage in der Industrie verdeutlicht.

Internationaler Handel als Stütze

Ein weiterer positiver Aspekt ist der Anstieg der Aufträge aus dem Ausland um 5,1 Prozent, wobei das Geschäft mit den Euro-Ländern um 5,9 Prozent und mit dem Rest der Welt um 4,6 Prozent zulegte. Diese Zahlen spiegeln wider, wie wichtig der internationale Handel für die deutsche Industrie bleibt, besonders in Zeiten, in denen die Binnenwirtschaft nicht die benötigten Impulse liefern kann.