Die Nacht auf Sonntag, ein Klassiker: eine Stunde zurück, von 3 Uhr auf 2 Uhr. Theoretisch bringt uns das eine zusätzliche Stunde Schlaf – praktisch jedoch gerät der Biorhythmus aus der Spur.
Gerade wenn der Alltagsstress der Woche anläuft, rutschen wir in eine Art Mini-Jetlag, der nicht jeden spurlos lässt.
„Der menschliche Körper hat eine natürliche innere Uhr, die sich am Tageslicht orientiert und von der Hormonproduktion bis hin zur Schlafqualität alles regelt,“ erklärt der Schlafmediziner Dr. Hans-Günter Weeß.
„Plötzlich eine Stunde verschieben zu müssen, überrumpelt diese Abläufe. Die Winterzeit geht noch halbwegs, aber im Frühjahr, wenn wir die Stunde verlieren, werden die meisten Menschen für Tage, manchmal Wochen aus dem Gleichgewicht geworfen.“
Gefährlicher Eingriff in den Schlafrhythmus
Die Zeitumstellung ist für viele nicht bloß ein Ärgernis. Mehrere Studien belegen, dass Schlafmangel und Müdigkeit nach der Umstellung besonders in den ersten Tagen das Unfallrisiko im Straßenverkehr und auch am Arbeitsplatz erhöhen. „Gerade an den ersten Tagen der Sommerzeit steigt die Zahl der Herzinfarkte messbar an“, berichtet Weeß.
Die Problematik zeigt sich vor allem bei Menschen, die bereits mit Schlafstörungen kämpfen: „Eine meiner Patientinnen hat den gesamten Sommer über Schlafprobleme und fühlt sich permanent ausgelaugt.“
Neben Schlafmangel führt die Störung der inneren Uhr auch zu einer geringeren Konzentrationsfähigkeit. Besonders Schichtarbeiter, deren Alltag ohnehin ihren Biorhythmus strapaziert, leiden.
„Sie schlafen zu biologisch unpassenden Zeiten und arbeiten dann, wenn der Körper eigentlich Ruhe braucht. Die Zeitumstellung verschärft dieses ‚circadiane Missverhältnis‘ noch“, sagt Weeß.
Dieser andauernde Stress erhöht langfristig das Risiko für Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen.
EU-Beschluss im Stillstand: Warum sich Brüssel nicht einigt
Schon 2018 stimmten 80 Prozent der Teilnehmer einer EU-Umfrage für ein Ende der Zeitumstellung. Doch seither hakt es in der Umsetzung, da die EU-Staaten sich nicht auf eine einheitliche Lösung festlegen können.
Länder wie Griechenland und Portugal befürworten die Sommerzeit, während Deutschland und andere nördliche Länder auf die Winterzeit setzen. In der Zwischenzeit sind dringendere Themen wie Corona, die Ukraine-Krise und die Energiepolitik auf die Agenda gewandert.
„Ich habe durchaus Verständnis dafür, dass der politische Fokus aktuell woanders liegt,“ räumt Weeß ein, „doch das Thema zu vernachlässigen, bedeutet, langfristige Schäden in Kauf zu nehmen.“
Auch der Grünen-Europaabgeordneten Anna Cavazzini geht das Zögern des EU-Rats auf die Nerven: „Die ständige Anpassung an neue Rhythmen belastet Körper und Geist gleichermaßen. Die Mitgliedstaaten müssen den Weg für die Abschaffung frei machen.“
Was ein Ende der Umstellung wirtschaftlich bedeuten würde
Ein dauerhaftes Ende der Zeitumstellung hätte auch wirtschaftliche Folgen, besonders in Bereichen wie Bahn- und Flugverkehr sowie IT-Systemen. Doch auch die halbjährliche Anpassung verursacht hohe Kosten und Mehraufwand.
Kritiker der Abschaffung halten dagegen, dass die Wirtschaft die Umstellung auf eine feste Zeit vielleicht nur einmal verkraften müsste, während die Bürger langfristig profitieren würden.