Der Arbeitsmarkt in Deutschland steckt in einer Abwärtsspirale. Lange Zeit schien der Stellenmarkt stabil, trotze sogar schwächeren Konjunkturphasen. Doch das Ifo-Beschäftigungsbarometer zeigt nun eine deutliche Trendwende: Der Indikator fiel im Oktober auf 93,7 Punkte und erreicht damit den niedrigsten Stand seit Juli 2020, als die Pandemie das Land fest im Griff hatte.
„Der Arbeitsmarkt entwickelt sich seit Monaten negativ, nicht stark, aber kontinuierlich“, erklärt Klaus Wohlrabe, Umfrageleiter am Münchener Ifo-Institut.
Besonders die Industrie, das Herzstück der deutschen Wirtschaft, ist betroffen. Das Problem: Statt neuer Impulse herrscht Stillstand. Neueinstellungen bleiben aus, und viele Unternehmen vermeiden größere Investitionen. Die Zeiten des ungebrochenen Jobwachstums scheinen vorerst vorbei.
Die Industrie bleibt zurück
Noch 2017 galt die deutsche Industrie als Wachstumsmotor. Doch seit Jahren kämpfen deutsche Industriebetriebe mit rückläufigen Aufträgen. Die derzeitige wirtschaftliche Flaute hat die Produktion belastet und bremst nun auch den Arbeitsmarkt aus. Selbst die sonst übliche Herbstbelebung bleibt dieses Jahr aus.
FDP-Fraktionschef Christian Dürr beschrieb es kürzlich treffend: „Der industrielle Kern des Landes befindet sich seit 2017 in einer Rezession.“ Sinkende Produktionszahlen und ein schwächelnder Export belasten nicht nur die Auftragsbücher, sondern auch die Bereitschaft, neue Mitarbeiter einzustellen.
Eine kurze Erholung und dann der Rückschritt
Noch bis Ende 2022 verzeichnete das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) fast zwei Millionen offene Stellen. Doch bis Mitte 2023 hat sich diese Zahl fast halbiert.
Die einstige Erholung nach den pandemiebedingten Einschränkungen verkehrte sich schnell in einen Abwärtstrend. Nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit gab es im Oktober rund 183.000 mehr Arbeitslose als im gleichen Monat des Vorjahres.
„Wir sehen die Auswirkungen des langsamen Wirtschaftswachstums inzwischen auch im Arbeitsmarkt“, stellt Andrea Nahles, Chefin der Bundesagentur für Arbeit (BA), fest.
Wo es sonst saisonale Herbstimpulse gab, ist 2023 eher das Gegenteil der Fall. Die Zeit der Hochbeschäftigung scheint vorerst vorbei. Selbst wenn noch nicht in großem Stil entlassen wird, sehen viele Firmen kaum Anlass, auf Expansionskurs zu gehen.
Nur wenige Bereiche trotzen der Flaute
Einen Lichtblick gibt es dennoch: Die IT- und Tourismusbranchen sind stabil. Im digitalen Bereich bleibt die Nachfrage nach Fachkräften hoch, getrieben von zunehmender Digitalisierung und Cybersecurity-Bedarf.
Und auch die Tourismusbranche, nach den schwierigen Pandemie-Jahren, erlebt eine Art Wiederaufblühen. Doch trotz dieser Lichtblicke reicht das nicht aus, um die Defizite anderer Sektoren zu kompensieren.
Im Handel herrscht eine leichte Erholung, doch auch hier bleibt die Nachfrage nach neuen Kräften gedämpft. In den meisten Regionen Deutschlands sehen Einzelhändler wenig Bedarf, größere Teams aufzubauen. Die Unsicherheiten im Konsumverhalten machen vorsichtig.
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Der Rückgang der offenen Stellen ist ein Warnsignal. Die Entwicklung ist besorgniserregend, vor allem für jüngere Arbeitnehmer, die Flexibilität oder einen schnellen Jobwechsel schätzen. Sie spüren nun, dass sich der Arbeitsmarkt eintrübt und schnelle Karrieresprünge weniger häufig möglich sind. Besonders für Berufseinsteiger könnte das in den kommenden Monaten zur Herausforderung werden, da Neueinstellungen zurückgefahren werden.
„Der Markt ist enger geworden“, so Wohlrabe vom Ifo-Institut. „Aktuell herrscht eine gewisse Zurückhaltung bei den Unternehmen.“ Die wirtschaftliche Lage bleibt angespannt, und ob es zu einer Wende im Jobmarkt kommt, hängt von der wirtschaftlichen Erholung ab.