Wenn die Welt spart, greift sie zu Chanel No. 5
In Zeiten globaler Unsicherheit, Inflation und Konsumzurückhaltung brilliert ausgerechnet ein Unternehmen, das Produkte verkauft, die niemand wirklich braucht: L'Oréal.

Der französische Kosmetikriese meldet für das erste Quartal 2025 ein Umsatzwachstum von 4,4 % auf 11,47 Milliarden Euro – exakt im Rahmen der Analystenerwartungen. Doch das eigentliche Signal liegt nicht in der Zahl, sondern in ihrer Herkunft: Wachstum kommt fast ausschließlich aus dem Segment der Luxusprodukte.
Marken wie Lancôme, Yves Saint Laurent oder Helena Rubinstein lassen die Kassen klingeln, während andere Segmente wie Haarpflege oder günstige Drogerieprodukte stagnieren. CEO Nicolas Hieronimus zeigt sich dennoch optimistisch: Man sei „auf Kurs“, besser als der Markt abzuschneiden.
Die operative Marge dürfte weiter steigen. Doch die Zahlen werfen auch Fragen auf – besonders mit Blick auf die Regionen.
Europa glänzt, Nordamerika schwächelt
In Europa stieg der Umsatz um 4,9 % auf 3,91 Milliarden Euro. Das überrascht positiv angesichts der anhaltenden Konjunkturschwäche in Deutschland, Frankreich und Italien. L'Oréal profitiert hier vom florierenden Reiseeinzelhandel und der Loyalität wohlhabender Kundengruppen, die auch in rauen Zeiten nicht an der Hautcreme sparen.
Besonders stark performten Prestigeprodukte und Parfüms, die nicht selten als „erschwinglicher Luxus“ gelten – ein psychologisch wirksames Konzept in Krisenjahren.
Weniger rosig sieht es in Nordamerika aus: Dort sank der Umsatz um 1,4 % auf 2,97 Milliarden Euro. Das ist mehr als ein Schönheitsfehler. Denn der US-Markt gilt traditionell als Wachstumsanker – und auch als Frühindikator für globale Konsumtrends.
Die sinkenden Zahlen deuten darauf hin, dass selbst markentreue Käufer dort vorsichtiger werden. Ein Warnsignal für die kommenden Quartale.
Luxus als Burggraben – aber nicht ohne Risiko
Der Erfolg der Luxuslinie ist bemerkenswert, birgt aber strategische Risiken. L'Oréal wird zunehmend abhängig von einem Segment, das auf die Konsumkraft einer relativ kleinen Zielgruppe fokussiert ist.
Sollte diese Klientel angesichts geopolitischer Spannungen, Aktienmarktkorrekturen oder konjunktureller Einbrüche plötzlich sparen, wäre das Unternehmen überproportional betroffen.
Zudem ist der Wettbewerb im Premiumsegment hoch. Marken wie Estée Lauder, Dior oder Hermès investieren massiv in Innovationszyklen, Hautpflegeforschung und exklusive Kooperationen. L'Oréal muss hier dauerhaft hohe Margen rechtfertigen – ohne dabei den Draht zur jungen Zielgruppe zu verlieren, die immer stärker auf Nachhaltigkeit, Transparenz und soziale Werte achtet.
Ein Konzern, viele Gesichter
Neben dem Luxussektor gehören auch die Segmente Consumer Products (etwa Garnier oder L'Oréal Paris), Dermatological Beauty (Vichy, La Roche-Posay) und Professional Products (Friseurbedarf) zum Portfolio. Doch diese Bereiche wuchsen nur moderat – oder schrumpften in einzelnen Regionen sogar.
In China, einem Schlüsselmarkt für viele Kosmetikkonzerne, sei die Lage laut Management „komplex“. Der Konkurrenzdruck durch lokale Anbieter, geopolitische Spannungen und ein sich wandelndes Konsumverhalten setzen der Branche zu.
Die Unternehmensstrategie sieht dennoch keine radikale Neuausrichtung vor. Stattdessen setzt L'Oréal auf bewährte Wachstumsrezepte: geografische Expansion, stärkere Digitalisierung, eine engere Verzahnung von Online- und Offlinegeschäft – und gezielte Zukäufe im Luxussegment. Der jüngste Kauf des australischen Luxus-Labels Aesop ist dafür exemplarisch: teuer, imagefördernd, global anschlussfähig.