09. März, 2025

Politik

Österreich setzt Familiennachzug für Flüchtlinge aus – Ist Deutschland der nächste Staat?

Wien geht auf Konfrontationskurs mit der EU – und setzt Migration drastisch ein. Welche Folgen hat das Vorgehen für Deutschland und die gesamte EU?

Österreich setzt Familiennachzug für Flüchtlinge aus – Ist Deutschland der nächste Staat?
Die Berufung auf den EU-Arbeitsweisevertrag wird zunehmend von Mitgliedstaaten genutzt, um nationale Alleingänge in der Migrationspolitik zu rechtfertigen – eine Herausforderung für die EU.

Österreich zieht die Notbremse – und stellt sich damit gegen die bisherigen Regeln der Europäischen Union. Wegen eines „besorgniserregenden Anstiegs“ von Asylanträgen und Familiennachzügen hat Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) eine „migrationspolitische Notlage“ ausgerufen und den Familiennachzug für Flüchtlinge ausgesetzt. Basis für diesen radikalen Schritt ist eine umstrittene Ausnahmeklausel im EU-Recht.

Die Bundesregierung in Berlin blickt gespannt nach Wien: Ist ein ähnliches Vorgehen auch für Deutschland denkbar?

Ein drastischer Schritt mit weitreichenden Folgen

Drei Seiten umfasst das Schreiben, das Österreichs Innenminister an die EU-Kommission nach Brüssel schickte. Darin argumentiert Karner mit einer Überlastung der Aufnahmekapazitäten und einer „Gefährdung der öffentlichen Ordnung“.

Österreich beruft sich auf Artikel 72 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV). Diese selten genutzte Klausel erlaubt es Mitgliedstaaten, in Ausnahmefällen von EU-Vorgaben abzuweichen, wenn die öffentliche Ordnung oder die innere Sicherheit gefährdet sind.

In Deutschland hat CDU-Chef Friedrich Merz bereits vor Monaten ins Spiel gebracht, sich auf genau diesen Artikel zu berufen, um Zurückweisungen an den Grenzen durchzusetzen.

Doch bislang lehnte die SPD einen solchen Alleingang strikt ab. Die Begründung: Die Voraussetzungen für eine Anwendung von Artikel 72 seien „sehr hoch“ und rechtlich nicht gegeben.

Nun aber zeigt sich: Immer mehr Länder der EU setzen genau auf diese Ausnahmeregelung. Neben Polen greift nun auch Österreich darauf zurück. Für die Bundesregierung in Berlin wird es damit zunehmend schwieriger, das Vorgehen der Nachbarländer als unzulässig abzutun.

Warum Österreich diesen Schritt geht

Die Zahlen sprechen für sich: Laut dem österreichischen Innenministerium sind seit 2016 mehr als 30.000 Familienangehörige von Schutzberechtigten aus Syrien nach Österreich nachgezogen – zusätzlich zu den bereits aufgenommenen Flüchtlingen. 2023 seien allein rund 9000 Angehörige nach Österreich gekommen, darunter viele Kinder im schulpflichtigen Alter.

Das Bildungssystem, die öffentliche Ordnung, das Wohnungswesen und das Sozial- und Gesundheitssystem seien massiv belastet.

„Durch diesen Zuzug sind unsere Systeme ausgelastet oder haben bereits die Kapazitätsgrenzen überschritten“, heißt es im Schreiben.

Besonders drastisch formuliert es die Regierung in Wien: „Der soziale Frieden ist in Gefahr.“

Wie reagiert Deutschland?

Österreichs Entscheidung dürfte die Migrationsdebatte in Deutschland weiter anheizen. Schon jetzt ist klar: Die Union wird den Schritt als Argument nutzen, um in den laufenden Koalitionsgesprächen zwischen CDU und SPD auf eine härtere Linie in der Migrationspolitik zu drängen.

Während die Union eine Verschärfung der Migrationspolitik fordert, lehnt die SPD nationale Alleingänge nach Artikel 72 ab – doch der Druck wächst.

Daniel Thym, Asylrechtsexperte an der Universität Konstanz, sieht die Entscheidung als „hochpolitisch“ und „richtungsweisend für Europa“. Er warnt jedoch: „Wenn sich immer mehr Staaten auf Artikel 72 beziehen, dann fliegt die gesamte EU-Gesetzgebung auseinander. Das wird der Europäische Gerichtshof nicht zulassen.“

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