Ein Wachstum, das keines mehr ist
In den vergangenen Jahren waren Preiserhöhungen das Mittel der Wahl. Wenn die Rohstoffpreise steigen, wenn Transport teurer wird, wenn Energiepreise explodieren – dann erscheint es logisch, die Mehrkosten an den Endverbraucher weiterzureichen. Genau das haben große Konsumgüterkonzerne wie Coca-Cola, Nestlé, Unilever, Henkel und Mondelez getan. Und zwar konsequent.
Allein Coca-Cola hat den Preis für seine Produkte seit 2021 weltweit um knapp 36 Prozent erhöht. Bei Unilever waren es 20 Prozent, bei Nestlé 18. Im selben Zeitraum stagnierten oder fielen die Verkaufszahlen. In der Bilanz sah das lange trotzdem gut aus – denn durch die höheren Preise stieg der Umsatz. Jetzt zeigt sich: Das Modell hat Grenzen.
IW-Analyse: Wachstum nur auf dem Papier
Ein Blick in die Zahlen offenbart ein Muster: Fast alle großen Hersteller konnten seit 2021 zweistellig beim Umsatz zulegen – nicht durch neue Produkte oder Märkte, sondern fast ausschließlich durch Preiserhöhungen.
Doch dieses „Preiswachstum“ entpuppt sich als kurzfristige Kosmetik. Denn der Absatz – also die tatsächlich verkauften Stückzahlen – sinkt oder stagniert. Bei Henkel etwa um satte 15 Prozent.
Das ist kein deutsches Phänomen, sondern ein globaler Trend. Doch in Europa ist die Reaktion der Verbraucher besonders spürbar: Sie kaufen weniger Markenprodukte – und mehr Eigenmarken.
IW-Faktencheck:
+3,4 % Eigenmarkenabsatz in Deutschland 2024
−1 % Markenprodukte im selben Zeitraum
Ein Porschefahrer kauft Aldi-Kaffee
Was früher als Billiglösung galt, ist heute in vielen Haushalten die erste Wahl: Handelsmarken haben nicht nur beim Preis, sondern auch beim Image aufgeholt. Studien zeigen: Verbraucher bescheinigen vielen Eigenmarken inzwischen eine Qualität auf Marken-Niveau. Sie sind sichtbar, greifbar – und in wirtschaftlich unsicheren Zeiten ein kalkulierbarer Kompromiss.
„Heute ist es normal, dass ein Porschefahrer Aldi-Marken kauft“, sagt OC&C-Berater Christoph Treiber. Ein Satz, der mehr über den Strukturwandel im Einzelhandel verrät als jede Absatzkurve.

IW-Kommentar: Das Dilemma ist hausgemacht
Markenhersteller befinden sich in einem selbstgebauten Spannungsfeld. Einerseits stehen sie unter Druck, ihre Margen zu halten – auch in einem Umfeld steigender Kosten. Andererseits haben sie es versäumt, den Kundennutzen ihrer Produkte im Verhältnis zum Preis glaubwürdig zu kommunizieren.
Das Ergebnis: Die Preisschraube wurde weitergedreht, ohne dass echte Mehrwerte entstanden. Das rächt sich jetzt. Verbraucher gewöhnen sich nicht nur an Alternativen, sie entwickeln ein neues Preisbewusstsein.
IW-Empfehlung an Markenhersteller:
- Weg vom reinen Preishebel: Nicht jede Bilanz lässt sich mit Aufschlägen retten.
- Produktnutzen sichtbar machen: Verbraucher wollen wissen, wofür sie zahlen.
- Rabattaktionen nicht überreizen: Wer dauerhaft mit 40 Prozent Nachlass wirbt, entwertet sein Produkt.
- Marketingbudget sinnvoll investieren: Nicht lauter – sondern relevanter kommunizieren.
- Packungsschwindel ("Shrinkflation") beenden: Wer schummelt, verliert Vertrauen.
Coca-Cola als Sonderfall – noch
Coca-Cola ist einer der wenigen Ausreißer. Der Konzern hat seit 2021 nicht nur seine Preise stark erhöht, sondern auch seine Verkaufszahlen weltweit um neun Prozent gesteigert. In Europa allerdings liegt das Wachstum bei nur einem Prozent – bei gleichzeitig 62 Prozent Preissteigerung.
Die Marke lebt von ihrer kulturellen Verankerung, ihrer Verfügbarkeit und ihrem Symbolwert. Doch auch das hat Grenzen. Besonders in einem Markt wie Deutschland, wo die Auswahl groß ist – und Preisvergleiche zum Einkaufsalltag gehören.
IW-Schlussfolgerung: Marken müssen liefern – nicht nur kassieren
Die aktuelle Entwicklung zeigt, dass sich Verbraucher nicht unbegrenzt melken lassen. Wer seine Produkte dauerhaft zu Höchstpreisen verkaufen will, muss nicht nur liefern – sondern überzeugen. Qualität, Nachhaltigkeit, Transparenz, Innovation: All das sind Faktoren, die über die nächste Phase des Marktwettbewerbs entscheiden werden.
Denn eines ist klar: Wer den Kunden einmal verloren hat, bekommt ihn nicht so schnell zurück. Preisaktionen mögen kurzfristig helfen – eine echte Kundenbeziehung stützen sie nicht.
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