Donald Trump liebt große Gesten. Am 2. April erklärt der US-Präsident im Rosengarten des Weißen Hauses nichts weniger als die „Befreiung“ Amerikas von globaler wirtschaftlicher Abhängigkeit.
Sein Mittel der Wahl: flächendeckende Zölle. Für EU-Staaten sollen es 20 Prozent sein, für andere bis zu 50. Wenige Tage später senkt Trump den Satz für Europa zwar auf zehn Prozent – doch der Schaden ist angerichtet. Und Europa? Verspricht Einigkeit. Nur: Halten kann es dieses Versprechen nicht.
Symbolpolitik statt Systemantwort
Die EU-Kommission legt umgehend Gegenmaßnahmen vor: Zölle auf Jeans, Motorräder und Rindfleisch – zwischen zehn und 25 Prozent. Doch selbst dieser Minimalkonsens bröckelt: Ungarn stimmt nicht zu.
Frankreich verhindert Strafzölle auf Whiskey – aus Angst vor Gegenzöllen auf Wein. Italien bremst bei der Digitalsteuer – und macht sich auf zu bilateralen Gesprächen mit Trump. Der berühmte europäische Schulterschluss? Eher ein Schulterschieben.
Was entsteht, ist kein Handelsblock – sondern ein Flickenteppich aus Interessen. Die EU zeigt sich als das, was sie in Krisenmomenten oft ist: eine Koalition wider Willen, unfähig zur gemeinsamen Reaktion, wenn es wirklich zählt. Wer Trump provoziert, will sicher sein, nicht selbst Zielscheibe zu werden. Man ist für Zölle – solange sie in Nachbars Garten greifen, nicht im eigenen.
Die Illusion der Einigkeit
Brüssel bemüht sich, das Bild der Geschlossenheit zu wahren. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und Handelskommissar Maroš Šefčovič sprechen öffentlich von Zusammenhalt.
Doch hinter verschlossenen Türen zerlegen sich die Mitgliedsstaaten selbst. In Luxemburg stimmt man sich „unverbindlich“ über mögliche Maßnahmen ab – das Resultat: ein wankender Minimalkonsens ohne strategische Stoßrichtung.
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Einzelne Staaten fürchten Konsequenzen für ihre Exporte, andere wollen keinen Konflikt mit Big Tech, wieder andere treiben nationale Deals voran – ein Nährboden für das, was man in Brüssel nun zähneknirschend den „NIMBY-Moment“ nennt: „Not in my backyard“.
Die Digitalsteuer? Bitte nicht, sagen Irland und die Niederlande. Zölle auf Agrarprodukte? Bloß nicht, meint Frankreich. Gespräche mit Trump? Nur, wenn sie exklusiv sind, denkt sich Giorgia Meloni. Europa wirkt weniger wie ein Wirtschaftsraum – und mehr wie ein Kongress der Eigeninteressen.
Trumps Ziel: Spalten, nicht verhandeln
Während Europa überlegt, wie es reagieren könnte, hat Trump längst seine Strategie gewählt: Die EU-Kommission umgehen, die Staaten einzeln ansprechen. Meloni will nächste Woche nach Washington reisen – und dort mit Trump über eine „Null-für-Null“-Politik sprechen: also die gegenseitige Abschaffung aller Industriezölle. Für Trump ein Geschenk – denn er hasst Brüssel und liebt Deals mit Einzelstaaten.
Was wie Pragmatismus aussieht, ist in Wahrheit europapolitischer Sprengstoff. Denn eine Einigung Italiens mit den USA würde die Kommission weiter entmachten und die Glaubwürdigkeit gemeinsamer EU-Antworten untergraben. Schon das Mercosur-Abkommen ist an nationalen Einwänden wie jenen aus Frankreich fast gescheitert. Die Null-für-Null-Idee könnte dasselbe Schicksal ereilen – nicht wegen Trump, sondern wegen Europa selbst.
Big Tech, große Worte, keine Taten
Besonders deutlich wird die Selbstblockade in der Digitalpolitik. Die EU könnte hier punkten, da sie im digitalen Dienstleistungssektor ein Defizit gegenüber den USA hat. Eine Steuer auf Onlineumsätze amerikanischer Plattformen wäre ein machtvoller Hebel.
Doch ausgerechnet Irland, Sitz vieler US-Techriesen, blockiert. Brüssel diskutiert seit Jahren über strengere Regeln für Google, Apple & Co. – entschieden wurde wenig. Während die USA ihre wirtschaftliche Souveränität mit Zöllen verteidigen, verschanzt sich Europa hinter politischen Unentschiedenheiten.
Europas Schwäche als geopolitisches Risiko
Was bleibt, ist ein Kontinent, der zögert, wo er handeln müsste – und der sich spaltet, wo Einigkeit nötig wäre. Der NIMBY-Effekt macht Europa außenpolitisch erpressbar. Während sich die USA neu ausrichten, China mit Industriepolitik und Techförderung voranschreitet, diskutiert Europa über Whiskey und Motorräder.
Handel ist Macht. Und Macht braucht Klarheit. Wer in Brüssel glaubt, man könne geopolitische Herausforderungen mit kleinsten gemeinsamen Nennern bewältigen, wird von der Realität eines Tages überrollt. Noch hat die EU die Chance, aus dem NIMBY-Moment eine Strategie zu machen. Doch dafür müsste sie das tun, was sie in Luxemburg nicht geschafft hat: sich entscheiden.
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