Die geplante Übernahme des Kunststoffherstellers Covestro durch den arabischen Ölkonzern Adnoc sorgt aktuell für Gesprächsstoff an den Börsen.
Trotz eines klaren Übernahmeangebots von 62 Euro pro Aktie liegt der aktuelle Kurs von Covestro bei nur 58 Euro. Auf den ersten Blick scheint das unverständlich: Warum sollten Anleger vier Euro pro Aktie liegen lassen, wenn das Angebot doch bereits auf dem Tisch liegt?
Zweifel am Deal oder reine Spekulation?
Die Antwort auf diese Frage ist vielschichtig. Einerseits könnte der Markt Zweifel haben, ob die Übernahme wirklich wie geplant zustande kommt. Andererseits gibt es durchaus Parallelen zu früheren Übernahmen, bei denen die Aktie weit unter dem Übernahmepreis gehandelt wurde.
Ein prominentes Beispiel ist die Monsanto-Übernahme durch Bayer im Jahr 2016. Auch dort lag der Aktienkurs deutlich unter dem Angebot, bis der Deal schließlich Jahre später finalisiert wurde.
Im Fall von Covestro und Adnoc sprechen Analysten von einer relativ niedrigen regulatorischen Hürde. Thomas Schulte-Vorwick vom Bankhaus Metzler etwa sieht keine größeren Bedenken bei den Wettbewerbsbehörden. Doch das allein erklärt nicht, warum der Aktienkurs so deutlich unter dem Angebot bleibt.
Ein langer Weg zur Übernahme
Ein wesentlicher Faktor könnte die Zeit sein. Der Abschluss des Deals wird frühestens in der zweiten Jahreshälfte 2025 erwartet – das bedeutet, dass Anleger mindestens neun Monate in Unsicherheit leben müssen.
Diese lange Wartezeit erhöht das Risiko, dass in der Zwischenzeit etwas passiert, das den Deal gefährden könnte. Und sollten sich die Rahmenbedingungen ändern, könnte der Kurs dramatisch einbrechen.
Lerneffekt aus früheren Übernahmen
Ein Blick auf frühere Übernahmen, wie die von Deutsche Wohnen durch Vonovia, zeigt: Anleger wetten häufig darauf, dass ein höheres Angebot nachgelegt wird, wenn der Kurs unter dem Angebot bleibt.
Doch dies könnte sich in diesem Fall als Trugschluss erweisen. Im Unterschied zu Vonovia, wo Anleger auf eine Verbesserung spekulierten, gibt es bei Covestro keine Anzeichen, dass Adnoc sein Angebot nachbessern wird.
Analysten betonen daher, dass der aktuelle Kursunterschied eher als eine "Halteprämie" verstanden werden sollte. Diese Prämie entschädigt Investoren dafür, dass sie das Risiko tragen, dass der Deal über Monate hinweg in der Schwebe bleibt.
Ist das Risiko überschaubar?
Trotz der Unsicherheit sieht Analyst Chris Counihan von der US-Bank Jefferies die regulatorischen Hürden als gering an. Auch aus Regierungskreisen in Berlin war zuletzt zu hören, dass man den Deal zwar kritisch prüft, aber keine grundsätzlichen Einwände gegen Adnoc hat. Der Ölkonzern gilt als verlässlicher Partner, was die Wahrscheinlichkeit eines erfolgreichen Abschlusses erhöht.
Warten auf den großen Gewinn?
Für risikofreudige Anleger könnte die Übernahme von Covestro eine interessante Möglichkeit darstellen, von der Differenz zwischen dem aktuellen Kurs und dem Angebotspreis zu profitieren. Doch diese Strategie ist nicht ohne Gefahren. Die lange Zeitspanne bis zur finalen Bestätigung des Deals bedeutet, dass viele Faktoren den Kurs beeinflussen könnten.