Ein Börsenschock, wie ihn kaum einer kommen sah
Es war der größte Absturz der UnitedHealth-Aktie seit über einem Jahrzehnt – und einer, der die gesamte US-Gesundheitsbranche auf dem falschen Fuß erwischte.
Nach enttäuschenden Quartalszahlen und einer gekappten Jahresprognose brach der Kurs des Branchenriesen am Donnerstag zeitweise um 20 % ein.
Damit riss der Dow-Jones-Schwergewichtstitel auch andere Krankenversicherer mit nach unten: Humana verlor über 10 %, CVS über 5 %, selbst solide aufgestellte Anbieter wie Cigna und Centene konnten sich dem Strudel nicht entziehen.
Unerwartete Kosten – und das ausgerechnet bei Medicare
Der Grund für den Einbruch liegt in einer Zahl, die so unspektakulär wie gefährlich ist: Die Pflegekosten im Medicare-Bereich, vor allem in der leistungsstarken Medicare-Advantage-Sparte, sind nach Angaben des Unternehmens weit stärker gestiegen als erwartet.
In der Praxis bedeutet das: Die medizinische Inanspruchnahme von Leistungen durch ältere Versicherte liegt deutlich über Plan – und die Margen geraten unter Druck.
Dass ausgerechnet UnitedHealth, der größte Krankenversicherer der USA, seine Prognose senken muss, kommt einer Zäsur gleich. In der Vergangenheit war das Unternehmen bekannt dafür, regelmäßig seine Ausblicke nach oben zu korrigieren – nicht nach unten. Dass es nun anders läuft, lässt nicht nur Analysten aufhorchen, sondern auch Fondsmanager und Regulierer.

Ein seltenes Minus – und ein fatales Signal
Zum ersten Mal seit mehr als zehn Jahren verfehlte UnitedHealth die Gewinnerwartungen der Wall Street. In einem ohnehin sensiblen Marktumfeld wirkt das wie ein Fanal.
„Das ist nicht einfach ein schwaches Quartal – das ist ein Paradigmenbruch in der Bewertung des Sektors“, so ein Branchenanalyst, der seit Jahren Versicherer beobachtet.
Der Markt hat sich darauf verlassen, dass UnitedHealth liefert. Jetzt ist dieses Vertrauen erschüttert.

CEO Andrew Witty räumte ein, dass das Unternehmen gewachsen sei, „um mehr Menschen umfassender zu versorgen“, aber die eigenen Erwartungen nicht erfüllt habe. Man arbeite „aggressiv“ an Gegenmaßnahmen – und wolle zum langfristigen Gewinnwachstumsziel von 13–16 % zurückkehren. Die Frage bleibt: Wie?
Sogeffekt mit System – ganze Branche im Minus
Besonders hart traf es Anbieter, die wie UnitedHealth stark auf Medicare-Leistungen setzen: Humana, Alignment Healthcare, Clover Health – alle im zweistelligen Minus.
Aber auch klassische Anbieter wie CVS oder Cigna wurden mit nach unten gezogen. Es ist ein Dominoeffekt, wie er an der Börse selten ist: Eine Gewinnwarnung – und ein ganzer Sektor gerät unter Generalverdacht.
Die Bewertung vieler Krankenversicherer basierte zuletzt auf der Annahme, dass die alternde US-Bevölkerung planbar, aber nicht sprunghaft teuer wird. Diese Annahme wackelt nun. Wenn die Leistungsinanspruchnahme strukturell höher liegt als bisher kalkuliert, müssten viele Geschäftsmodelle neu bewertet werden – mit Folgen für Gewinne, Rückstellungen und die Preisgestaltung künftiger Policen.
Wird Medicare zur tickenden Kostenbombe?
Hinter den Zahlen steckt eine tiefere Sorge: Ist das US-Gesundheitssystem – vor allem im öffentlich subventionierten Bereich – unterfinanziert? Die steigende Lebenserwartung, neue Therapien und ein zunehmender Leistungsdruck könnten das Modell Medicare in eine Kostenexplosion treiben, die weder Versicherer noch Staatshaushalte in ihrer jetzigen Form tragen können.
Die aktuellen Zahlen von UnitedHealth legen nahe: Die Risikomodelle vieler Versicherer reichen womöglich nicht mehr aus. Und mit Blick auf die politischen Diskussionen um Ausweitung oder Reform von Medicare dürfte der Druck auf die Branche weiter steigen.