Das Bürgergeld, einst als große Reform gefeiert, steht nach einem Jahr im Kreuzfeuer der Kritik. Neue Zahlen offenbaren, dass zentrale Ziele nicht nur verfehlt, sondern in manchen Bereichen sogar Rückschritte verzeichnet wurden.
Die Arbeitsmarktintegration ist eingebrochen, Qualifizierungsmaßnahmen stagnieren, und die Kontrolle von Schwarzarbeit wurde zurückgefahren. Ist das Bürgergeld tatsächlich gescheitert?
Arbeitsmarktintegration im Rückwärtsgang
Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: 2019 konnten noch rund eine Million Bürgergeldbezieher (damals noch Hartz-IV-Empfänger) in den Arbeitsmarkt integriert werden. 2023, dem ersten Jahr nach der Reform, sank diese Zahl auf 776.611 – ein Rückgang von über 20 Prozent.
Auch die bedarfsdeckenden Integrationen, also Fälle, in denen Bezieher nach drei Monaten ohne staatliche Unterstützung auskommen, sind gesunken: von 51 Prozent (2022) auf 49 Prozent (2023).
Besonders bitter: Trotz eines Arbeitsmarkts mit 1,3 Millionen offenen Stellen – ein Viertel davon ohne Qualifikationsanforderungen – scheint die Reform nicht den erhofften Effekt zu haben, Bürgergeldempfänger nachhaltig in Arbeit zu bringen.
Qualifikation bleibt auf der Strecke
Ein zentraler Pfeiler der Bürgergeld-Reform war die Förderung von Qualifikationen, besonders für Langzeitarbeitslose. Doch auch hier enttäuschen die Zahlen.
Die Teilnahme an Weiterbildungsmaßnahmen und Qualifikationsprogrammen liegt deutlich unter dem Niveau vor der Corona-Pandemie. Markus Reichel, CDU-Abgeordneter, kritisiert:
„Das Bürgergeld sollte Langzeitarbeitslose fit für den Arbeitsmarkt machen, doch es bleibt bei reiner Alimentierung.“
Sanktionspolitik verliert an Biss
Die Sanktionspolitik ist ein weiterer wackelnder Baustein. Während Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) ursprünglich ein strengeres Vorgehen gegenüber Totalverweigerern ankündigte, zeigt die Realität das Gegenteil: Die Zahl der Sanktionen ist von 806.000 im Jahr 2019 auf nur noch 226.000 in 2023 eingebrochen.
Auch die finanziellen Minderausgaben durch Sanktionen sind dramatisch gesunken – von 156 Millionen Euro auf nur noch 12,39 Millionen Euro.
Die CDU wertet dies als Versäumnis: „Mit der Abschwächung der Sanktionspolitik untergräbt die Ampel-Regierung das Vertrauen in den Sozialstaat“, so Kai Whittaker, arbeitsmarktpolitischer Sprecher der Union.
Schwarzarbeit boomt, Kontrolle sinkt
Ein besonders brisantes Kapitel ist die Schwarzarbeit. Trotz steigender Fallzahlen sinken die Kontrollen. Die Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS) hat 2023 nur noch 42.631 Arbeitgeber überprüft – ein Rückgang von 20 Prozent gegenüber 2022.
Angesichts dieser Entwicklung ist zu erwarten, dass die Dunkelziffer bei Schwarzarbeit weiter wächst. Besonders ärgerlich: Die Bundesregierung hatte eigentlich schärfere Kontrollen angekündigt, umgesetzt wurde jedoch das Gegenteil.
Ein Jahr Bürgergeld: Bilanz oder Bankrotterklärung?
Arbeitsminister Heil verteidigt die Reform: Das Bürgergeld habe „substanzielle Verbesserungen“ gebracht, die jedoch Zeit benötigten, um sichtbar zu werden. Kritiker halten dagegen, dass die bisherigen Daten auf ein grundsätzliches Versagen der Reform hinweisen.
Besonders die Kürzungen bei Eingliederungsmitteln – von 5,01 Milliarden Euro (2021) auf 3,7 Milliarden Euro (2025) – werfen Fragen auf.
Das könnte Sie auch interessieren: