12. Dezember, 2024

Politik

Bürgergeld: Warum die Reform scheitert und was das für den Sozialstaat bedeutet

Das Bürgergeld sollte den Sozialstaat modernisieren und stärken. Neue Zahlen zeigen jedoch: Statt Fortschritt gibt es Rückschritte – von Arbeitsmarktintegration bis Qualifikation.

Bürgergeld: Warum die Reform scheitert und was das für den Sozialstaat bedeutet
Seit 2019 ist die Zahl der Sanktionen um 85 % eingebrochen – von 806.000 auf nur noch 226.000 im Jahr 2023. Kritiker warnen vor einem Vertrauensverlust in den Sozialstaat.

Das Bürgergeld, einst als große Reform gefeiert, steht nach einem Jahr im Kreuzfeuer der Kritik. Neue Zahlen offenbaren, dass zentrale Ziele nicht nur verfehlt, sondern in manchen Bereichen sogar Rückschritte verzeichnet wurden.

Die Arbeitsmarktintegration ist eingebrochen, Qualifizierungsmaßnahmen stagnieren, und die Kontrolle von Schwarzarbeit wurde zurückgefahren. Ist das Bürgergeld tatsächlich gescheitert?

Arbeitsmarktintegration im Rückwärtsgang

Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: 2019 konnten noch rund eine Million Bürgergeldbezieher (damals noch Hartz-IV-Empfänger) in den Arbeitsmarkt integriert werden. 2023, dem ersten Jahr nach der Reform, sank diese Zahl auf 776.611 – ein Rückgang von über 20 Prozent.

Auch die bedarfsdeckenden Integrationen, also Fälle, in denen Bezieher nach drei Monaten ohne staatliche Unterstützung auskommen, sind gesunken: von 51 Prozent (2022) auf 49 Prozent (2023).

Besonders bitter: Trotz eines Arbeitsmarkts mit 1,3 Millionen offenen Stellen – ein Viertel davon ohne Qualifikationsanforderungen – scheint die Reform nicht den erhofften Effekt zu haben, Bürgergeldempfänger nachhaltig in Arbeit zu bringen.

Qualifikation bleibt auf der Strecke

Ein zentraler Pfeiler der Bürgergeld-Reform war die Förderung von Qualifikationen, besonders für Langzeitarbeitslose. Doch auch hier enttäuschen die Zahlen.

Die Teilnahme an Weiterbildungsmaßnahmen und Qualifikationsprogrammen liegt deutlich unter dem Niveau vor der Corona-Pandemie. Markus Reichel, CDU-Abgeordneter, kritisiert:

„Das Bürgergeld sollte Langzeitarbeitslose fit für den Arbeitsmarkt machen, doch es bleibt bei reiner Alimentierung.“

Sanktionspolitik verliert an Biss

Die Sanktionspolitik ist ein weiterer wackelnder Baustein. Während Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) ursprünglich ein strengeres Vorgehen gegenüber Totalverweigerern ankündigte, zeigt die Realität das Gegenteil: Die Zahl der Sanktionen ist von 806.000 im Jahr 2019 auf nur noch 226.000 in 2023 eingebrochen.

Die Zahl der erfolgreichen Arbeitsmarktintegrationen sank 2023 auf 776.611 – ein Rückgang von über 20 % gegenüber 2019, trotz zahlreicher offener Stellen.

Auch die finanziellen Minderausgaben durch Sanktionen sind dramatisch gesunken – von 156 Millionen Euro auf nur noch 12,39 Millionen Euro.

Die CDU wertet dies als Versäumnis: „Mit der Abschwächung der Sanktionspolitik untergräbt die Ampel-Regierung das Vertrauen in den Sozialstaat“, so Kai Whittaker, arbeitsmarktpolitischer Sprecher der Union.

Schwarzarbeit boomt, Kontrolle sinkt

Ein besonders brisantes Kapitel ist die Schwarzarbeit. Trotz steigender Fallzahlen sinken die Kontrollen. Die Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS) hat 2023 nur noch 42.631 Arbeitgeber überprüft – ein Rückgang von 20 Prozent gegenüber 2022.

Angesichts dieser Entwicklung ist zu erwarten, dass die Dunkelziffer bei Schwarzarbeit weiter wächst. Besonders ärgerlich: Die Bundesregierung hatte eigentlich schärfere Kontrollen angekündigt, umgesetzt wurde jedoch das Gegenteil.

Ein Jahr Bürgergeld: Bilanz oder Bankrotterklärung?

Arbeitsminister Heil verteidigt die Reform: Das Bürgergeld habe „substanzielle Verbesserungen“ gebracht, die jedoch Zeit benötigten, um sichtbar zu werden. Kritiker halten dagegen, dass die bisherigen Daten auf ein grundsätzliches Versagen der Reform hinweisen.

Besonders die Kürzungen bei Eingliederungsmitteln – von 5,01 Milliarden Euro (2021) auf 3,7 Milliarden Euro (2025) – werfen Fragen auf.

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