Politik
Ein Land, zwei Geschichten: Was der Sozialbericht 2024 verschweigt
Vermögenslücken, Migration und Demokratiezufriedenheit: Der Sozialbericht zeigt Deutschlands Probleme – doch die entscheidenden Fragen bleiben unbeantwortet.
Vermögenslücken, Migration und Demokratiezufriedenheit: Der Sozialbericht zeigt Deutschlands Probleme – doch die entscheidenden Fragen bleiben unbeantwortet.
Es klingt nach einem Märchen, ist aber keines: Jeder Haushalt in Deutschland besitzt im Schnitt 316.500 Euro – zumindest auf dem Papier. Doch wer hinter die Fassade des Sozialberichts 2024 blickt, erkennt schnell, dass dieser Durchschnitt so viel aussagt wie der berühmte Vergleich mit dem einen Fuß im heißen Wasser und dem anderen im Eis.
Die Kluft zwischen arm und reich, Ost und West, Bio- und Migranten-Deutschen könnte größer kaum sein.
Man nehme die obersten zehn Prozent: Diese Haushalte kontrollieren mehr als die Hälfte des gesamten Vermögens. Auf der anderen Seite der Statistik finden sich sechs Prozent der Haushalte mit gar nichts – außer Schulden.
Das Medianeinkommen liegt bei bescheidenen 106.600 Euro. Anders gesagt: Die Hälfte der Haushalte hat weniger als diese Summe, und in Ostdeutschland ist dieser Betrag mit nur 43.000 Euro fast ein schlechter Scherz.
Das Problem ist bekannt, doch es bleibt: Wer in Leipzig oder Dresden lebt, schaut finanziell oft in die Röhre.
Die Löhne hinken hinterher, die Vermögen erst recht. Und während westdeutsche Haushalte im Schnitt 360.000 Euro besitzen, sind es im Osten gerade einmal 151.000 Euro. Das reicht kaum für den Mittelwert einer estnischen Haushaltsbilanz.
Dann ist da das Dauerthema Migration – und es polarisiert nicht ohne Grund. Fast die Hälfte der Menschen mit Wurzeln im Nahen Osten oder Afrika lebt von Sozialleistungen.
Nur rund 69 Prozent der Bevölkerung mit Einwanderungsgeschichte haben überhaupt einen Job, und mehr als die Hälfte dieser Gruppe hat keinen berufsqualifizierenden Abschluss. Das sind harte Zahlen. Doch es gibt auch Lichtblicke: Migranten aus Asien und Amerika punkten mit hohen Bildungsabschlüssen, und manche Gruppen bringen dringend benötigte Fachkräfte mit.
Aber der Bericht spart nicht mit ernüchternden Fakten: Von den ukrainischen Geflüchteten, die seit 2022 nach Deutschland gekommen sind, hat nur jeder Fünfte einen Job.
Dass viele Frauen kleine Kinder haben, ist ein Teil der Erklärung. Aber warum sind dann nur 30 Prozent der Männer berufstätig? Der Sozialbericht bleibt die Antwort schuldig.
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Und die Demokratie? Sie gerät zunehmend unter Druck. Besonders im Osten, wo die Zufriedenheit mit dem politischen System ohnehin traditionell gering ist, sinken die Werte weiter.
Hier zeigt sich, dass wirtschaftliche Unsicherheit und politische Unzufriedenheit oft Hand in Hand gehen. Es überrascht kaum, dass Ostdeutsche inzwischen zu den unzufriedensten EU-Bürgern zählen – nur Bulgarien, Griechenland und die Slowakei schneiden schlechter ab.
Der Sozialbericht gibt sich Mühe, erhellend zu sein. Doch er leidet an einer seltsamen Zurückhaltung, wenn es um unbequeme Fragen geht. Warum etwa korreliert die Hartz-IV-Quote so deutlich mit dem Ausländeranteil?
Wieso bleibt der Osten weiter so weit zurück, während westdeutsche Städte boomen? Und vor allem: Wie soll das Land diese Herausforderungen lösen?