Im Herzen Oberschwabens, wo Brettspiele und Puzzles seit über 140 Jahren das Fundament eines weltweit bekannten Unternehmens bilden, ist der Betrieb am Limit – und das liegt nicht nur am Weihnachtsgeschäft.
Ravensburger, der Spielwaren-Riese mit dem ikonischen blauen Dreieck, wächst zweistellig. Treiber dieses Erfolgs ist „Lorcana“, ein Sammelkartenspiel mit Disney-Charakteren, das nicht nur die Umsätze in die Höhe schnellen lässt, sondern auch die Branche elektrisiert.
Lorcana: Ein Geniestreich mit globaler Strahlkraft
Ravensburger wagte ein beispielloses Investment: Rund 30 Millionen Euro flossen in die Entwicklung von „Lorcana“. Es war die größte Einzelinvestition in der Unternehmensgeschichte – und das Risiko zahlte sich aus.
Bereits im ersten Jahr wurden mehr als eine Milliarde Karten verkauft, und die Umsätze erreichen laut Vorstandsvorsitzendem Clemens Maier einen dreistelligen Millionenbetrag.
„Wir wussten, dass Lorcana ein Erfolg werden könnte“, gesteht Maier. „Aber die Dimension hat uns dennoch überrascht.“
Auf internationalen Messen wie der Gen Con in den USA standen tausende Fans Schlange, um einen Blick auf das Spiel zu erhaschen.
Inzwischen hat Ravensburger mit Lorcana eine neue Zielgruppe erschlossen: Jugendliche und junge Erwachsene zwischen 16 und 35 Jahren – ein Markt, der zuvor für das Unternehmen kaum relevant war.
Produktion am Limit: Vom Puzzle zum Sammelkartenspiel
In Ravensburg laufen die Maschinen auf Hochtouren. Während die klassischen Puzzle, deren Stückzahlen nach wie vor beeindruckend sind – 15 Millionen Exemplare werden jährlich produziert –, die Weihnachtszeit dominieren, hat Lorcana die Produktionskapazitäten über das ganze Jahr hinweg gefüllt. „Für uns ist jetzt viermal im Jahr Weihnachten“, erklärt Finanzchef Hanspeter Mürle mit Blick auf die quartalsweise Veröffentlichung neuer Kartensets.
Jede der Sammelkarten enthält Disney-Charaktere wie Micky Maus, Aladin oder Stitch, versehen mit speziellen Fähigkeiten. Für die Produktion dieser Karten hat Ravensburger eigens eine Einheit aufgebaut, die sich ausschließlich um die Entwicklung, den Druck und die Vermarktung kümmert.
Die Zahlen sprechen für sich: Bislang wurden über 80.000 Lorcana-Events mit rund 700.000 Teilnehmern organisiert, und die Europameisterschaft in Paris ist bereits ausverkauft.
Gegen den Branchentrend: Internationalisierung als Schlüssel
Während die deutsche Spielwarenbranche mit Umsatzeinbußen von drei Prozent kämpft und zurück auf Vor-Corona-Niveau fällt, expandiert Ravensburger gezielt ins Ausland.
Rund 60 Prozent des Umsatzes werden außerhalb Deutschlands generiert, mit wachsender Tendenz. Märkte wie die USA, Mexiko und Australien sind längst etabliert, und der Einstieg in Asien – insbesondere China und Japan – steht kurz bevor.
Die Internationalisierung zahlt sich aus. Während viele deutsche Hersteller unter der schwächelnden Konsumlaune leiden, öffnet Ravensburger mit Lorcana neue Türen.
„Plötzlich wollen immer mehr Händler mit uns zusammenarbeiten“, berichtet Maier.
Und das Potenzial des Spiels reicht weit über die bisherigen Märkte hinaus: Asien, bekannt für seine Begeisterung für Sammelkartenspiele, könnte Ravensburgers nächsten Wachstumsschub einleiten.
Ein breiteres Portfolio: Mehr als nur Puzzles
Lorcana ist nur ein Teil der Erfolgsgeschichte. Ravensburger hat in den letzten Jahren sein Sortiment kontinuierlich diversifiziert. Produkte wie die Kugelbahn Gravitrax, das Lernsystem Tiptoi oder die Holzeisenbahn von Brio sprechen unterschiedliche Zielgruppen an.
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Die klare Botschaft: Ravensburger will nicht nur Familien mit Kindern bedienen, sondern eine breite Altersgruppe ansprechen – von Kleinkindern bis zu Erwachsenen.
Doch die Konkurrenz schläft nicht. Große Player wie Mattel und Hasbro beobachten den Erfolg von Lorcana mit Argusaugen. Dennoch bleibt Ravensburger durch seine Markentreue und hohe Qualität wettbewerbsfähig. Gerade die Kombination aus Tradition und Innovation macht das Unternehmen in einer hart umkämpften Branche einzigartig.
Herausforderungen und Chancen
Trotz der Erfolge bleibt der Weg nicht ohne Hürden. Die hohen Produktionskosten und die Abhängigkeit von Lizenzen wie Disney bringen Risiken mit sich. Hinzu kommt, dass Lorcana in einem hart umkämpften Markt operiert, in dem etablierte Spiele wie Pokémon und Magic – The Gathering dominieren.
Doch Ravensburger setzt darauf, sich langfristig zu behaupten. Mit einem klaren Fokus auf Qualität, einer diversifizierten Produktpalette und gezielter Internationalisierung hat das Unternehmen die Weichen für weiteres Wachstum gestellt. Der Lorcana-Boom könnte dabei der Anfang eines neuen Kapitels sein – nicht nur für Ravensburger, sondern für die gesamte Spielwarenbranche.