Die nackten Zahlen sind dramatisch: 1.058 tatverdächtige türkische Zuwanderer im Bereich Gewaltkriminalität im Jahr 2024 – ein Plus von 47,6 % im Vergleich zum Vorjahr.
Die Sicherheitslage mag sich statistisch betrachtet verschärfen, aber die Ursachen bleiben komplex. Dass dieser Anstieg inmitten ohnehin wachsender allgemeiner Gewaltzahlen geschieht, verschärft die politische und gesellschaftliche Brisanz zusätzlich.
Wer ist gemeint – und wer nicht?
In der Debatte um die Kriminalität unter Zuwanderern ist der Begriff allein oft schon irreführend. Laut Definition des Bundeskriminalamts zählen als „Zuwanderer“ Asylsuchende, Schutzberechtigte, Geduldete oder auch Personen ohne Aufenthaltsstatus.
Nicht gemeint sind hier etwa eingebürgerte türkischstämmige Deutsche oder Menschen mit dauerhaftem Aufenthaltsrecht.
Das ist entscheidend: Denn während die Kriminalitätszahlen bei den Neuankömmlingen hochschnellen, bleiben sie bei der größeren Gruppe türkischer Staatsbürger auf niedrigem Niveau.
Soziale Realität statt ethnischer Zuschreibungen
Kriminologen weisen seit Jahren darauf hin: Wer jung, männlich und perspektivlos ist, taucht in der Kriminalstatistik überproportional häufig auf – völlig unabhängig von der Herkunft.
Viele Zuwanderer entsprechen genau diesem Profil. Die große Zahl junger Männer aus ökonomisch fragilen Herkunftsländern ist ein Faktor, der sich statistisch nicht ignorieren lässt.
Hinzu kommen Erfahrungen von Gewalt auf der Flucht oder in der Erziehung – beides gilt als Risikofaktor für spätere Gewalttaten.
Organisierte Kriminalität im Schatten der Migration
Ein weiterer Punkt: Der Türkei-Experte Eren Güvercin verweist auf die Rolle organisierter Kriminalität. Einige Milieus aus Deutschland verlagerten ihre Operationen in die Türkei – und kehren nun teils zurück.

Dass daraus Rückkopplungseffekte auf die Gewaltkriminalität entstehen, ist zumindest plausibel. Der Verdacht: In Teilen könnte es sich nicht um klassische Zuwanderung handeln, sondern um gezielte Rückverlagerung krimineller Aktivitäten.
Statistik ohne Kontext ist gefährlich
Die nüchterne Betrachtung: Ja, die Zahl türkischer Tatverdächtiger bei Gewaltverbrechen steigt rasant. Aber: Sie liegt immer noch weit unter der Belastung anderer Gruppen – etwa aus Algerien oder Georgien.
Außerdem: Bezogen auf alle rund 1,5 Millionen in Deutschland lebenden türkischen Staatsbürger ergibt sich eine vergleichsweise niedrige Quote von etwa 6 Tatverdächtigen pro 100 Einwohner.
Politischer Zündstoff – und eine Mahnung an die Medien
Gerade weil die Zahlen emotional aufgeladen sind, ist journalistische Differenzierung essenziell. Die Antwort des Bundesinnenministeriums auf die AfD-Anfrage mag statistisch korrekt sein – doch die Interpretation bedarf Kontext.
Nicht jeder Anstieg ist automatisch ein Beweis für kulturelles Versagen. Die Gefahr liegt darin, dass Fakten für politische Narrative instrumentalisiert werden – in alle Richtungen.
Kein einfacher Zusammenhang – aber ein ernstes Warnsignal
Die Gewaltzunahme unter bestimmten Gruppen von Zuwanderern ist real, belegt – und politisch hochbrisant. Wer aber einfache Antworten sucht, ignoriert die soziale Realität. Die Debatte muss differenziert geführt werden – auf Basis von Zahlen, aber auch von Empathie und Sachverstand. Alles andere wäre ein gefährlicher Rückfall in alte Erklärungsmuster.