Es begann mit einer klaren Botschaft: Als Raketen der Hisbollah nahe der israelischen Hafenstadt Haifa einschlugen und mehrere Zivilisten verletzten, zeigte die Schiitenmiliz, dass sie trotz israelischer Luftangriffe weiterhin in der Lage ist, tief in israelisches Territorium vorzudringen.
Der jüdische Staat reagierte prompt. Fast 300 Stützpunkte und Gefechtspositionen der Hisbollah im Libanon wurden binnen Stunden angegriffen. Doch was bedeutet diese Eskalation – und wie wahrscheinlich ist ein großflächiger Krieg?
Israel zieht die Grenze – vorerst
Während Israel im Süden weiterhin gegen die Hamas im Gazastreifen kämpft, öffnet sich im Norden ein zweites, potenziell noch gefährlicheres Frontgebiet. Vergangene Woche wurden Schulen in Nordisrael geschlossen, Sicherheitsvorkehrungen für Krankenhäuser verstärkt und der Luftverkehr eingeschränkt.
Israelische Kampfjets und Drohnen fliegen fast täglich Einsätze über dem Libanon, um die Hisbollah zu schwächen.
Die israelische Armee hat sich über Monate auf einen möglichen Einmarsch in den Libanon vorbereitet. Laut Simon Wolfgang Fuchs, Professor für Nahoststudien an der Hebräischen Universität, habe die IDF rund 17 Manöver durchgeführt, um für ein solches Szenario gewappnet zu sein.
Doch ob Israel wirklich den Schritt einer Bodenoffensive wagt, ist unklar. „Es gibt derzeit keine Hinweise auf eine unmittelbare Entscheidung in diese Richtung“, erklärt Fuchs.
Die Lage bleibt explosiv
Internationale Beobachter warnen jedoch, dass die gegenseitigen Angriffe das Potenzial haben, zu einem neuen Krieg zu führen. Jeanine Hennis-Plasschaert, die UN-Koordinatorin für den Libanon, bezeichnet die Lage als „am Rande einer Katastrophe“.
Es gebe keine militärische Lösung für den Konflikt, so Hennis-Plasschaert weiter. Doch auf beiden Seiten scheinen die Militärs derzeit eine Eskalation nicht ausschließen zu wollen.
In Israel ist die Armeeführung gespalten: Während Verteidigungsminister Yoav Gallant für härtere Maßnahmen gegen die Hisbollah plädiert, zögert Premierminister Benjamin Netanjahu noch.
Seit dem Ausbruch des Gaza-Krieges im Oktober ist die Hisbollah fast täglich mit Raketen- und Drohnenangriffen aktiv. Israel antwortet mit Luftschlägen, doch eine Lösung des Konflikts ist nicht in Sicht.
Die Hisbollah bleibt hartnäckig
Die Hisbollah bleibt ein entschlossener Gegner. Seit dem Ausbruch des Gaza-Krieges unterstützt sie die Hamas, indem sie kontinuierlich Raketen auf israelisches Gebiet abfeuert.
Für Israel geht es darum, die Miliz von der Grenze zurückzudrängen. Doch bisher hat keine der zahlreichen UN-Resolutionen dieses Ziel erreicht. Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah kündigte bereits weitere Vergeltungsschläge an, obwohl er Israel nicht den Krieg erklärt hat. Es bleibt abzuwarten, wie lange die Miliz ihre Angriffe fortsetzt.
Politische Zögerlichkeit in Teheran
Hinter den Kulissen spielt auch der Iran eine zentrale Rolle. Die Hisbollah gilt als wichtiger Stellvertreter Teherans im Nahen Osten.
Doch bisher hält sich der iranische Revolutionsführer Ajatollah Ali Khamenei mit direkten Vergeltungsmaßnahmen zurück. Eine großflächige Eskalation mit Israel würde auch den Iran tiefer in den Konflikt hineinziehen – eine Situation, die Teheran offenbar vermeiden will.
Nasrallahs Zögern dürfte eng mit der Führung in Teheran abgestimmt sein. Zwar fordern Khamenei und Nasrallah immer wieder, Israel zu bekämpfen, doch konkrete militärische Schritte gegen den jüdischen Staat blieben bisher aus. Beide Seiten wägen offenbar die Risiken ab, die ein offener Krieg mit Israel mit sich bringen würde.
Krieg oder Status quo?
Ob Israel in den Libanon einmarschiert, bleibt offen.
Fakt ist jedoch: Die Grenze ist so gefährlich wie seit Jahren nicht mehr. Die Hisbollah setzt ihren Kurs der Eskalation fort, und Israel scheint bereit, hart zu antworten. Doch ein offener Krieg würde die gesamte Region ins Chaos stürzen – und das wissen alle Beteiligten.