31. März, 2025

Health

Wie essbare Energiezellen die Medizintechnik verändern könnten

Ein Team aus Italien entwickelt biologisch abbaubare Batterien aus Algen, Vitaminen und Blattgold – und eröffnet damit nicht nur neue Perspektiven für Herzschrittmacher, sondern auch für smarte Verpackungen und Robotik. Doch wie viel Substanz steckt hinter der Vision?

Wie essbare Energiezellen die Medizintechnik verändern könnten
Im Labor reicht die Spannung für LED-Leuchten – in der Praxis könnte sie schon bald Sensoren oder Mikro-Roboter speisen.

Der Strom kommt aus dem Sushi-Regal

Herzschrittmacher, Hirnstimulatoren, Medikamentenpumpen – kaum eine moderne Therapie kommt ohne implantierbare Medizingeräte aus. Doch was alle gemeinsam haben: Sie brauchen Strom.

Bisher übernehmen das winzige Batterien, oft auf Basis giftiger Metalle, eingeschweißt in aufwendige Hüllen. Doch nun könnten Bio-Batterien diesen Grundpfeiler der Medizintechnik revolutionieren. Und das mit Zutaten, die man eher im Bioladen vermuten würde.

Das Team um Mario Caironi und Ivan Ilic vom Istituto Italiano di Tecnologia in Mailand hat eine Batterie entwickelt, deren Bauteile durchweg essbar oder biologisch abbaubar sind.

Der Separator besteht aus getrockneten Nori-Algen, wie sie sonst Sushi zusammenhalten. Die Elektrolytlösung basiert auf Natriumhydrogensulfat – einem unbedenklichen Salz. Für die Stromerzeugung sorgt eine Kombination aus Vitamin B2 (Riboflavin) und Quercetin, einem Antioxidans aus pflanzlichen Farbstoffen. Den Strom leiten Blattgoldkontakte.

Spannung ja, Stromstärke nein

Zwei dieser Batterien reichen aus, um eine kleine LED zwölf Minuten lang leuchten zu lassen – ein Achtungserfolg, aber noch weit von echten Anwendungsszenarien entfernt. Die Leistung von 0,65 Volt und 48 Mikroampere genügt derzeit gerade für Sensoren oder passive Überwachungssysteme.

Dennoch sind die Visionen groß: Eine Batterie, die einfach im Körper verbleiben und dort ohne Schäden verdaut werden kann, würde invasive Wechseloperationen überflüssig machen. Auch als „Energielieferant auf Zeit“ für Magen-Darm-Kameras, Wirkstoff-Bots oder minimalinvasive Messgeräte käme das Konzept infrage.

Der Separator aus Sushi-Alge und Elektrolyt aus Speisesalz – die Bio-Batterie bleibt selbst im Körper unbedenklich.

Biegsam, bio – aber begrenzt

Parallel arbeiten Forscher wie Martin Kaltenbrunner von der Universität Linz an ähnlichen Konzepten: Sein Team entwickelte eine biologisch abbaubare Batterie mit Magnesiumfolie und Molybdänoxid – beide Metalle kommen im Körper in Spuren vor.

Das Elektrolyt basiert auf Kalzium-Alginat, bekannt als Geliermittel in der Lebensmittelindustrie. Diese Batterie schafft immerhin 1,2 Volt und betreibt kleine Sensoren mehrere Stunden lang.

Weil sie zudem flexibel und dehnbar ist, passt sie sich der Dynamik von Organen und Gewebe an – eine zentrale Voraussetzung für medizinische Implantate. Nach wenigen Wochen bis Monaten zerfallen die Batterien rückstandslos im Körper.

Von der Intensivstation ins Logistikzentrum

Was sich wie Science-Fiction aus dem OP-Saal anhört, weckt auch Interesse ganz anderer Branchen. So liebäugeln Paketdienstleister mit Bio-Batterien für ihre Smart-Label-Initiativen.

Zukünftig sollen Pakete ihren Standort selbst melden – per Funkchip und Mini-Sensor. Dafür braucht es Batterien, die billig, klein, leistungsfähig und unbedenklich für Mensch und Umwelt sind.

Denn mit täglich Millionen Sendungen entsteht ein gewaltiger Berg an Elektronikmüll. Nur rund 50 Prozent aller Haushaltsbatterien in Deutschland landen im Recycling. Der Rest geht in den Restmüll. Eine biologisch abbaubare Lösung wäre nicht nur ein Fortschritt in der Nachhaltigkeit – sie könnte regulatorisch bald alternativlos werden.

Was noch fehlt: Preis, Power, Proof

Trotz aller Euphorie bleibt Skepsis angebracht. Die Bio-Batterien liefern heute nur einen Bruchteil der Energie klassischer Knopfzellen, von Hochleistungsakkus ganz zu schweigen.

Auch die Kosten der Produktion – Stichwort Blattgold – und die fehlende industrielle Skalierung sind Stolpersteine. Experten wie Kaltenbrunner betonen deshalb: Für medizinische Anwendungen oder smarte Einweggeräte mag das Konzept aufgehen. Für Haushaltsgeräte oder gar E-Autos sind Bio-Batterien noch lange kein Thema.

Trotzdem: Dass überhaupt funktionierende Batterien aus Vitaminen, Algen und Wachs möglich sind – und das auch noch biologisch abbaubar – markiert einen Paradigmenwechsel. Die Vision: Batterien, die verschwinden, wenn man sie nicht mehr braucht.

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