31. März, 2025

Politik

Koalition auf Kante genäht

In internen Papieren wird sichtbar, worauf sich Union und SPD bereits geeinigt haben – und wo der Bruch jederzeit droht. Im Zentrum stehen Streitpunkte wie Bürgergeld, Migration, Tempolimit, Rente und der Verbrennungsmotor.

Koalition auf Kante genäht
Union fordert Rückkehr zur Pflicht – SPD will Freiwilligkeit. Die Truppe bleibt einstweilen im politischen Niemandsland.

Still und leise wollten Union und SPD sondieren. Doch das politische Berlin ist ein undichter Ort, und so liegen der Öffentlichkeit nun die Papiere der 16 Facharbeitsgruppen vor.

Sie offenbaren, wie tief die Risse verlaufen – trotz aller demonstrativen Einigkeit. Vieles ist beschlossen, vieles bleibt offen. Und manches birgt politischen Sprengstoff.

Bürgergeld: Zurück in die Vergangenheit

Das "neue" Bürgergeld soll eigentlich eine moderne Grundsicherung sein. Doch Union und SPD planen den Rückfall in alte Muster: Die Anpassung an die Inflation soll künftig wieder verzögert erfolgen.

Eine faktische Kürzung also. Sanktionen sollen verschärft, Zuverdienstregeln überarbeitet werden. SPD und Union nennen das "Aktivierung". Kritiker sprechen von kalter Sozialpolitik.

Migration: Konsens ohne Konkretion

Man wolle Migration begrenzen, so der Tenor. Doch beim "Wie" gehen die Vorstellungen weit auseinander. Zurückweisungen an Grenzen? Ja, aber bitte "in Abstimmung mit den Nachbarn".

Was das heißt, bleibt unklar. Einigkeit besteht nur darin, dass der Familiennachzug für zwei Jahre ausgesetzt wird. Gleichzeitig soll die Liste der sicheren Herkunftsländer erweitert werden. Ob das europarechtlich haltbar ist, steht auf einem anderen Blatt.

Rente und Mütterrente: Symbolpolitik mit Milliardenrisiko

Die SPD fordert eine dauerhafte Fixierung des Rentenniveaus bei 48 Prozent. Die Union schweigt dazu. Noch größerer Streitpunkt: die Finanzierung der sogenannten Mütterrente für vor 1992 geborene Kinder.

Die SPD will Steuermittel, die Union hält sich bedeckt. Geschätzte Mehrkosten: fünf Milliarden Euro jährlich. Viel Geld für eine Maßnahme, deren Verteilungswirkung umstritten ist.

Verteidigung: Aufrüstung ohne Wehrpflicht?

Beim Thema Wehrpflicht prallen Welten aufeinander. Die Union will sie reaktivieren, die SPD setzt auf Freiwilligkeit. Klar ist: Die Bundeswehr soll massiv aufgerüstet werden.

Ziel: 3,5 Prozent des BIP für Verteidigung. So hoch waren die deutschen Militaerausgaben noch nie. Derweil hält man an der nuklearen Teilhabe fest und baut die NATO-Drehscheibe Deutschland aus.

Fünf Milliarden Euro pro Jahr für eine höhere Mütterrente – doch wer zahlt, bleibt offen. Die SPD fordert Steuermittel, die Union schweigt.

Verkehr: Tempolimit bleibt Zankapfel

Das Tempolimit ist zum Symbolthema geworden. Die SPD möchte es, die Union blockiert. Resultat: Stillstand. Beim Bahnkonzern hingegen ist Bewegung vorgesehen – zumindest auf dem Papier.

Vorstand und Aufsichtsrat sollen verschlankt, die gemeinwohlorientierte Infra-Tochter entflochten werden. Eine Zerschlagung der Bahn wird nicht explizit genannt, schimmert aber durch.

Energie: Kohleausstieg vertagt, Atomkraft offen

Der Kohleausstieg bis 2030 ist vom Tisch. Union und SPD einigten sich auf das alte Ziel: 2038. "Realismus" nennt das die Union, "Rückschritt" die Umweltverbände. Bei der Atomkraft steht die Tür wieder einen Spalt offen. CDU und CSU fordern deren Renaissance, die SPD bremst. Auch das Fracking-Thema kehrt zurück – unter dem Etikett "konventionelle Gasförderung im Inland".

Industrie: Verbrenner vor dem Comeback?

Die Union will die EU-Vorgabe zum Verbrenner-Aus 2035 kippen. Die SPD hält dagegen. Offen bleibt, wie Deutschland mit der doppelten Verantwortung aus Klimazielen und Automobilstandort umgeht. Fest steht: Ein Kurswechsel würde Brüssel provozieren – und in der Ampel für Schnappatmung sorgen.