Argentinien stand Ende 2023 am Abgrund. Eine jährliche Inflationsrate von über 1.200 Prozent, ein nahezu kollabierter Staatshaushalt und Schulden in Milliardenhöhe prägten die Ausgangslage.
Inmitten dieser Krise übernahm Javier Milei das Präsidentenamt – mit einer radikalen Agenda, die auf Sparmaßnahmen, Deregulierung und makroökonomische Stabilität setzt. Ein Jahr später zeigt sich: Mileis Politik polarisiert, doch die ersten Zahlen sprechen für sich.
Ein Land auf Sparflamme
Eine der ersten Maßnahmen Mileis war die rigorose Kürzung der Staatsausgaben. Innerhalb weniger Monate wurden Ministerien abgeschafft, öffentliche Infrastrukturprojekte gestoppt und Transferzahlungen an die Provinzen gestrichen.
Schätzungen zufolge wurden die Staatsausgaben real um 27 bis 35 Prozent gesenkt. „Das Defizit muss weg, das ist nicht verhandelbar“, betonte Milei wiederholt – und schaffte bereits im Januar 2024 einen Haushaltsüberschuss.
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Doch der Preis war hoch: Tausende Staatsbedienstete verloren ihre Jobs, Renten und Gehälter wurden nicht mehr inflationsangepasst, und viele staatliche Dienstleistungen brachen weg. Kritiker werfen Milei vor, die soziale Ungleichheit zu verschärfen. Befürworter sehen in den Kürzungen den Beginn eines notwendigen Wandels.
Inflation: Der Feind Nummer eins
Die Hyperinflation war das drängendste Problem, das Milei in Angriff nahm. Seine Strategie: Das Ende der Defizitfinanzierung durch Gelddrucken. Bereits im Juli 2024 wurde die Nettoemission neuer Pesos gestoppt.
Zusätzlich leitete die Regierung Maßnahmen zur Stabilisierung der Zentralbank ein, darunter den Tausch kurzfristiger Zentralbankverbindlichkeiten gegen langfristige Staatsanleihen.
Die Ergebnisse sind beeindruckend: Die monatliche Inflationsrate fiel von 25 Prozent im Dezember 2023 auf 2,7 Prozent im Oktober 2024. Die Stabilisierung des Pesos hat das Vertrauen in die Währung gestärkt, und die Risikoprämien für argentinische Staatsanleihen sinken stetig. Milei nennt dies sein „größtes politisches Kapital“.
Deregulierung: Mehr Freiheit, weniger Staat
Ein weiterer zentraler Punkt von Mileis Reformen ist die Deregulierung der Wirtschaft. Innerhalb eines Jahres wurden über 300 Verordnungen abgeschafft, darunter auch Mietpreisbremsen.
Die Folgen: Die Mieten sanken real, da mehr Wohnungen auf den Markt kamen. Zudem wurden der Arbeitsmarkt flexibilisiert und Privatisierungen angestoßen.
Im Juni 2024 brachte Milei den umfassenden Reformplan „Ley Bases“ durch das Parlament – eine Strukturreform, die die Basis für ein dereguliertes und marktwirtschaftliches Argentinien schaffen soll. „Weniger Staat, mehr Freiheit“, lautet die Devise, die er auch auf internationaler Bühne vertritt.
Wirtschaft am Wendepunkt?
Die ersten wirtschaftlichen Indikatoren deuten darauf hin, dass Argentinien langsam den Tiefpunkt hinter sich lässt. Seit Mai 2024 verzeichnen die Autoproduktion, der private Bausektor, Exporte und die Reallöhne wieder ein leichtes Wachstum. JP Morgan schätzt die Wachstumsrate der Wirtschaft aktuell auf 8,5 Prozent.
Doch Experten warnen: Der Erfolg ist fragil. Die Reformen haben weite Teile der Bevölkerung stark belastet, und die wirtschaftliche Erholung hängt von der weiteren Umsetzung der Maßnahmen ab. Milei selbst bleibt optimistisch und spricht von einem „neuen Argentinien“, das entstehen könne, wenn das Land den Reformkurs beibehält.
Kritische Stimmen: Zu viel, zu schnell?
Trotz der ersten Erfolge bleibt die Kritik an Mileis Kurs laut. Die Sparmaßnahmen treffen vor allem ärmere Bevölkerungsschichten, die Inflation ist zwar gebremst, aber nicht besiegt, und die Deregulierung sorgt für soziale Spannungen. Zudem fehlt Milei eine klare Mehrheit im Parlament, was die Umsetzung weiterer Reformen erschweren könnte.
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