Die Bundesregierung steht vor einem großen steuerpolitischen Meilenstein: Der vollständige Abbau der kalten Progression in der Einkommensteuer, ein Ziel, das bislang kaum eine Regierung erreicht hat.
Eine neue Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) zeigt, dass nahezu alle Haushalte von den geplanten Entlastungen profitieren werden. Doch während Finanzminister Christian Lindner (FDP) das Vorhaben als Erfolg feiert, warnt der Steuerzahlerbund vor möglichen Ausnahmen bei Gutverdienern.
Lindners Steuerreform – Ein Erfolg für alle?
Mit den geplanten Steuersenkungen für 2025 könnte die Ampel-Regierung das schaffen, was zuvor als kaum realisierbar galt: eine vollständige Kompensation der kalten Progression.
Die unscheinbare, aber massive Steuerfalle bedeutet, dass Gehaltserhöhungen durch Inflation auf dem Papier zu höheren Steuersätzen führen – ohne, dass die Kaufkraft der Bürger tatsächlich steigt. Seit Jahren ist dieser Effekt ein versteckter Mechanismus, der vor allem den Mittelstand und kleinere Einkommen belastet. Doch laut der IW-Studie soll dieser Effekt nun vollständig neutralisiert werden.
„Die Beseitigung der heimlichen Steuererhöhungen im Rahmen der kalten Progression ist zu begrüßen“, so IW-Steuerexperte Martin Beznoska.
Damit werde die steuerliche Belastung konstant gehalten, was in Zeiten steigender Lebenshaltungskosten eine erhebliche Entlastung für die Bürger darstellt.
Bundestag und Bundesrat am Zug
Noch ist die Sache jedoch nicht in trockenen Tüchern: Der Gesetzentwurf muss sowohl den Bundestag als auch den Bundesrat passieren, bevor die Entlastung bei den Bürgern ankommt.
Vor allem SPD und Grüne stehen vor der Herausforderung, wie sie die geplante Entlastung kommunizieren. Denn Kritiker befürchten, dass die Steuersenkungen vor allem den Besserverdienenden zugutekommen könnten.
Steuerzahlerbund warnt vor Ausnahmen
Hier setzt die Kritik des Bundes der Steuerzahler an. Präsident Reiner Holznagel äußert klare Bedenken:
„Wenn SPD und Grüne die kalte Progression für die oberen Einkommensbezieher nicht abbauen wollen, sind sie in Wahrheit für Steuererhöhungen.“
Für Holznagel ist es eine Frage der Transparenz: Sollte die Regierung beschließen, die Entlastungen nur für bestimmte Einkommensgruppen gelten zu lassen, müsse dies klar und offen kommuniziert werden.
Vor allem in der SPD gibt es Stimmen, die eine stärkere Fokussierung der Entlastungen auf mittlere und niedrige Einkommen fordern. In einer Zeit, in der die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter auseinandergeht, wächst der Druck auf die Politik, eine gerechtere Steuerpolitik zu gestalten. Doch was gerecht ist, darüber gehen die Meinungen auseinander.
Wirtschaftliche Bedeutung der Steuerreform
Die kalte Progression abzubauen ist nicht nur eine Frage der Gerechtigkeit, sondern auch der wirtschaftlichen Stabilität. Wenn Bürger am Ende des Monats mehr in der Tasche haben, steigert dies den Konsum und stützt die Binnenkonjunktur.
Gerade in Zeiten globaler Unsicherheiten und steigender Zinsen könnte die Entlastung des Mittelstands ein wichtiges Signal für die Stabilität der deutschen Wirtschaft sein.
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Doch es gibt auch Skeptiker. Einige Ökonomen warnen, dass eine zu starke Steuerentlastung in Kombination mit steigenden Staatsausgaben die Haushaltslage der Bundesrepublik belasten könnte. Finanzminister Lindner hingegen gibt sich optimistisch: „Eine gerechte Steuerpolitik und solide Finanzen sind kein Widerspruch, sondern die Grundlage für unseren Wohlstand.“
Ein Schritt in die richtige Richtung – aber noch nicht am Ziel
Der vollständige Abbau der kalten Progression wäre zweifellos ein großer Erfolg für die Ampel-Koalition und ein Gewinn für viele Steuerzahler. Doch bis zur endgültigen Umsetzung bleiben Fragen offen:
Wird es zu einer Ungleichbehandlung kommen? Und kann die Steuerreform tatsächlich den erhofften Impuls für die Wirtschaft geben?