Der Paukenschlag am Mittwochmorgen
Da staunten selbst die hartgesottenen Politbeobachter: Ricarda Lang und Omid Nouripour, die beiden Co-Chefs der Grünen, treten zurück. Um 10.30 Uhr, noch bevor der Kaffee in vielen Büros kalt geworden war, standen sie vor der Presse und verkündeten ihren Schritt.
Der Grund? Die verheerenden Wahlergebnisse der letzten Monate, insbesondere in Brandenburg, wo die Grünen geradewegs aus dem Landtag geflogen sind.
„Tiefste Krise in einer Dekade“, so brachte es Nouripour auf den Punkt.
Deutlicher geht’s kaum.
Ein Rücktritt mit Ansage
Dass die Lage ernst ist, wissen die Grünen schon länger. Bei den Landtagswahlen in Thüringen und Brandenburg hagelte es bittere Verluste, und in den Umfragen steht die Partei bundesweit erstmals seit sieben Jahren unter zehn Prozent.
Kein Wunder also, dass in den Parteizentralen die Alarmglocken schrillen. „Es braucht einen Neustart“, erklärte Nouripour und machte damit klar: Die Grünen wollen den Kopf aus der Schlinge ziehen, bevor sie endgültig vom politischen Spielfeld verschwinden.
Ricarda Lang wirkte dabei sichtlich emotional: „Es war uns eine Ehre, dieser Partei zu dienen.“ Ein Satz, der nach Abschied klingt – und nach Aufbruch.
Und jetzt? Wer übernimmt?
Die Frage, die sich jetzt jeder stellt: Wer soll die Grünen aus diesem Schlamassel führen? In der Partei werden bereits Namen gehandelt. Franziska Brantner, derzeit Staatssekretärin bei Wirtschaftsminister Robert Habeck, steht weit oben auf der Liste der möglichen Nachfolger.
Auch Felix Banaszak, Bundestagsabgeordneter und Ex-Chef der Grünen Jugend, könnte ein Kandidat für die Spitze sein.
Doch die Herausforderungen sind gewaltig. Die Grünen müssen nicht nur verlorenes Vertrauen in der Wählerschaft zurückgewinnen, sondern auch innerhalb der eigenen Reihen einen Weg finden, die internen Spannungen zu entschärfen.
Und das, während die Ampelkoalition auf Bundesebene in einer Dauerkrise steckt. SPD, FDP und Grüne – da knirscht es schon lange gewaltig im Getriebe.
Politisches Erdbeben in Berlin
Dass der Rücktritt der Grünen-Spitze auch außerhalb der Partei Wellen schlägt, überrascht niemanden. In der Regierung knistert es bedenklich. Finanzminister und FDP-Chef Christian Lindner zeigte sich respektvoll: „Die Zusammenarbeit war menschlich immer fair“, schrieb er auf X. Doch der Subtext ist klar: Die Frage steht im Raum, ob der Rücktritt einen politischen Kurswechsel bei den Grünen nach sich zieht – und was das für die Ampelregierung bedeutet.
CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt geht noch weiter und sieht den Rücktritt als „Auftakt zum Niedergang der Ampel“. Für ihn sind nicht Lang und Nouripour das Problem, sondern die Grünen in der Regierung. Ein Rundumschlag, der zeigt, wie tief die Gräben inzwischen sind.
Wohin steuern die Grünen?
Die nächsten Wochen werden für die Grünen entscheidend. Am 15. November steht der Bundesparteitag in Wiesbaden an – dort soll die neue Führung gewählt werden. Es wird spannend zu sehen, wer das Ruder übernimmt und welche Richtung eingeschlagen wird.
Sicher ist nur: Die Grünen müssen sich dringend neu erfinden, wenn sie in der politischen Landschaft wieder eine zentrale Rolle spielen wollen.