Die Weinbranche in Deutschland sieht sich einem perfekten Sturm gegenüber. Winzer kämpfen in diesem Jahr nicht nur mit den Folgen extremer Wetterbedingungen, die die Ernte auf rund 7,9 Millionen Hektoliter gedrückt haben – der niedrigste Stand seit 2017. Hinzu kommen eine sinkende Nachfrage, Preisdruck und steigende Produktionskosten, die viele Betriebe an die Grenze ihrer Belastbarkeit bringen.
Sinkende Ernte und steigende Kosten: Winzer in der Klemme
Die schwache Ernte trifft vor allem die Regionen im Osten und die Ahr, wo sich die klimatischen Herausforderungen besonders stark auswirkten.
„Das derzeitige Fassweinpreisniveau deckt die Produktionskosten kaum“, warnt Simone Loose von der Hochschule Geisenheim.
Während der Fassweinpreis in der Pfalz bei etwa 70 Cent pro Liter liegt, liegen die Produktionskosten bei mindestens 1,20 Euro. „Ein Minusgeschäft“, so Loose.
Auch die Nachfrage nach deutschen Weinen sinkt, selbst bei den Spitzenweingütern des Verbands Deutscher Prädikatsweingüter (VDP).
„Die Gastronomen greifen zunehmend auf günstigere Weine aus dem Ausland zurück,“ erklärt VDP-Sprecher Max Rohde.
Diese Konkurrenz setzt deutschen Winzern erheblich zu, und die gestiegenen Kosten können sie kaum an die Verbraucher weitergeben.
Rotationsbrachen als Hoffnungsschimmer?
Christian Schwörer, Generalsekretär des Deutschen Weinbauverbands, sieht in sogenannten Rotationsbrachen einen möglichen Ausweg. Diese Praxis sieht vor, dass gerodete Weinberge vorübergehend ungenutzt bleiben, wodurch der Markt entlastet und die Produktionsmenge angepasst werden könnte.
Die EU fördert Blühstreifen auf diesen Flächen mit etwa 200 Euro pro Hektar, doch Experten fordern deutlich höhere Zuschüsse. „Allein um die Fixkosten zu decken, wären 3000 Euro nötig,“ sagt Schwörer.
Kosten senken und digital aufrüsten
Doch Anpassungen sind nicht nur im Weinberg erforderlich. Schwörer mahnt, dass Winzer ihre Betriebskosten genau analysieren müssen, um langfristig konkurrenzfähig zu bleiben. Simone Loose hebt dabei die Bedeutung von digitaler Kundenbindung hervor:
„Eine gut gepflegte digitale Kundendatenbank ist mittlerweile wertvoller als eine zusätzliche Rebfläche.“
Denn der Kampf um Kunden wird härter, und die älter werdende Kundschaft stellt die Branche vor neue Herausforderungen.
Die Möglichkeit, höhere Preise durchzusetzen, bleibt begrenzt.
„Wir können nicht erwarten, dass ein Kunde, der bisher drei Euro für eine Flasche ausgegeben hat, plötzlich das Doppelte zahlt,“ gibt Schwörer zu bedenken.
Vor allem im unteren Preissegment sind deutsche Weine stark unter Druck. Verbraucher greifen häufig zu günstigeren Weinen aus Spanien oder Italien. Der Verband betont, dass deutsche Weine im heimischen Markt mehr Unterstützung benötigen, vor allem von der Gastronomie und der Politik.
Rückgang des Weinkonsums: Neue Märkte dringend gefragt
Ein weiterer Faktor, der den Winzern zusetzt, ist der insgesamt sinkende Weinkonsum. Jüngere Konsumenten greifen seltener zu Wein, und ältere sollen aus gesundheitlichen Gründen den Alkoholkonsum reduzieren. Hinzu kommen neue Ernährungsempfehlungen, die komplett auf Alkohol verzichten.
Schwörer betont, dass die Weinbranche klare Unterstützung von der Politik braucht, um die europäische Weinkultur zu schützen. Die europaweite Kampagne Vitaevino, die einen verantwortungsvollen Weingenuss bewahren will, findet in der rheinland-pfälzischen Weinbauministerin Daniela Schmitt eine starke Unterstützerin.
Ministerin Schmitt ruft dazu auf, deutsche Weine zu unterstützen:
„Wein ist nicht nur ein Produkt, sondern ein Stück kulturelles Erbe und Teil unserer Identität.“
In Deutschland stammen aktuell nur 42 von 100 gekauften Flaschen Wein aus heimischen Regionen, ein Umstand, den Winzer ändern wollen.
„Wenn in Deutschland doppelt so viel Wein konsumiert wie produziert wird, sollte es möglich sein, die deutschen Produkte besser zu platzieren,“ erklärt Ernst Büscher vom Deutschen Weininstitut.
Der deutsche Weinbau befindet sich an einem Scheideweg. Die Winzer stehen vor der Herausforderung, sich an den Wandel anzupassen, während sie ihre traditionelle Identität bewahren.
Ob durch Rotationsbrachen, Kostensenkung oder verstärkten digitalen Kundendialog – der Weg aus der Krise verlangt mehr als nur gute Jahrgänge.